Das Führungszeugnis - Wann ist man vorbestraft?

Rechtsanwalt Christian Kucera • Juni 28, 2023

Ein Überblick

Strafgerichtliche Verurteilungen haben nicht nur Geld- oder Freiheitsstrafen zur Folge. Vor Antritt einer neuen Arbeit oder wenn man beruflich, ehrenamtlich oder auf sonstige Weise eine Tätigkeit ausüben will, bei der man Kontakt zu Minderjährigen hat, kann ein Führungszeugnis verlangt werden. Enthält dieses Hinweise auf strafgerichtliche Verurteilungen, ist man also vorbestraft, kann das für die erstrebten Tätigkeiten oft das Aus bedeuten.

Was ist ein Führungszeugnis?

Im Bundeszentralregister, welches vom Bundesamt für Justiz in Bonn geführt wird, werden u.a. alle strafgerichtlichen Verurteilungen einer Person aufgelistet. Grundsätzlich unbeschränkte Auskünfte hieraus erhalten in der Regel nur z.B. Gerichte, Staatsanwaltschaften, bestimmte sonstige Behörden und der Betroffene selbst.

Ein Führungszeugnis, umgangssprachlich oft auch „polizeiliches“ Führungszeugnis genannt, ist ein beschränkter Auszug aus dem Bundeszentralregister. Es ist eine behördliche Auskunft des Bundesamtes für Justiz, u.a. über bisher im Bundeszentralregister registrierte Straftaten einer Person. Es gibt letztlich Auskunft darüber, ob man vorbestraft ist oder nicht.

Gesetzlich geregelt ist das Bundeszentralregister und das Führungszeugnis im Bundeszentralregistergesetz (BZRG). Das Führungszeugnis kann jeder Person, die das 14. Lebensjahr vollendet hat, erteilt werden. Es kostet 13 Euro und kann online direkt beim Bundesamt für Justiz in Bonn sowie persönlich oder schriftlich bei der für den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort zuständigen örtlichen Meldebehörde (Bürgerbüro) beantragt werden.

Es gibt verschiedene Formen des Führungszeugnisses.

Das einfache Führungszeugnis (Privatführungszeugnis)

Das einfache Führungszeugnis (Privatführungszeugnis) – etwa zur Vorlage beim Arbeitgeber, enthält grundsätzlich alle strafgerichtlichen Verurteilungen. Das Gesetz sieht jedoch zahlreiche Ausnahmefälle vor, in denen Verurteilungen nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen sind. Diese Ausnahmen sind Ausdruck des Resozialisierungsgedankens und betreffen vorwiegend sog. „Bagatellverfahren“. So werden z.B. zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafen bis zu 2 Jahren nicht aufgeführt. Gleiches gilt beispielsweise für Erstverurteilungen zu Geldstrafen bis 90 Tagessätzen und Erstverurteilungen zu Freiheitsstrafen bis zu 3 Monaten. Das ändert sich aber mit einer weiteren Verurteilung – auch, wenn die Strafe aus dieser weiteren Verurteilung unterhalb der vorgenannten Grenzen liegt. Zudem gelten zahlreiche Ausnahmefälle nicht mehr bei Verurteilungen wegen bestimmter Sexualstraftaten.

Das Behördenführungszeugnis

Das behördliche Führungszeugnis dient zur Vorlage bei einer Behörde (z.B. bei der Erteilung einer Fahr- oder Gewerbeerlaubnis oder bei Bewerbungen bei einer Behörde) und enthält neben strafgerichtlichen Entscheidungen auch bestimmte Entscheidungen von Verwaltungsbehörden (z.B. Widerruf einer Gewerbeerlaubnis oder eines Waffenscheins). Zudem ist der Umfang der aufzunehmenden Verurteilungen gegenüber dem Privatführungszeugnis erweitert. So können Entscheidungen über eine mögliche Schuldunfähigkeit oder die gerichtlich angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgenommen werden. Weiter können auch Erstverurteilungen zu einer Geldstrafe von unter 90 Tagessätzen oder zu einer Freiheitsstrafe unter 3 Monaten enthalten sein, wenn die durch die Verurteilung geahndete Tat im Zusammenhang mit der Ausübung eines Gewerbes oder dem Betrieb einer sonstigen wirtschaftlichen Unternehmung begangen wurde und das Führungszeugnis für die in § 149 Abs. 2 Nr. 1 Gewerbeordnung bezeichnete Entscheidung bestimmt ist.

Ist ein Führungszeugnis bei einer deutschen Behörde vorzulegen, ist dies bereits bei der Antragstellung bei der Meldebehörde anzugeben. Das Führungszeugnis wird der Behörde durch das Bundesamt für Justiz unmittelbar übersandt. Die Behörde hat der den Antrag stellenden Person auf Verlangen Einsicht in das Führungszeugnis zu gewähren. Die den Antrag stellende Person kann aber auch verlangen, dass das Führungszeugnis, sofern es Eintragungen enthält, zunächst an ein von ihr benanntes Amtsgericht geschickt wird, um es dort einsehen zu können. Nach der Einsichtnahme wird das Führungszeugnis an die Behörde weitergeleitet oder, falls die Antrag stellende Person dem widerspricht, durch das Amtsgericht vernichtet.

Erweitertes Führungszeugnis

Ein erweitertes Führungszeugnis benötigen z.B. Personen, die beruflich, ehrenamtlich oder in sonstiger Weise Tätigkeiten ausüben, bei der sie Kontakt zu Kindern oder Jugendlichen haben (z.B. in der Kita, der Kindertagespflege, in der Schule oder im Sportverein). Von einem regulären Führungszeugnis unterscheidet sich das erweiterte Führungszeugnis durch seinen Inhalt. Hier werden beispielsweise auch diejenigen Verurteilungen wegen „geringfügigerer“ Sexualdelikte (wie z.B. Erregung öffentlichen Ärgernisses, exhibitionistischer Handlungen oder Verbreitung pornografischer Schriften) eingetragen, die im einfachen Führungszeugnis nicht enthalten sind.

Europäisches Führungszeugnis

Ein europäisches Führungszeugnis erhalten Personen, die -neben oder anstatt der deutschen – die Staatsangehörigkeit eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union besitzt. Das europäische Führungszeugnis enthält neben dem deutschen Führungszeugnis die Mitteilung über Eintragungen im Strafregister des Herkunftsmitgliedstaates in der übermittelten Sprache, sofern der Herkunftsmitgliedstaat eine Übermittlung nach seinem Recht vorsieht.

Wann werden Einträge aus dem ‚‚einfachen" Führungszeugnis ‚‚gelöscht"?

Bis auf bestimmte schwerwiegende Ausnahmefälle (bei lebenslangen Freiheitsstrafen, Sicherungsverwahrung oder der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus) werden Verurteilungen nach Ablauf bestimmter Fristen nicht mehr in das Führungszeugnis aufgenommen. Die Länge der Fristen richtet sich grundsätzlich nach der verhängten Strafe. Es gelten im Wesentlichen folgende „Löschungsfristen“:

3 Jahre bei

  • Geldstrafen
  • Freiheitsstrafen bis 3 Monate
  • Bewährungsstrafen bis 1 Jahr (wenn Bewährung nicht widerrufen wurde und keine weitere Freiheits- oder Jugendstrafe im Bundeszentralregister eingetragen ist)
  • Jugendstrafen bis 1 Jahr
  • Jugendstrafen über 2 Jahre, wenn ein Strafrest nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden ist (hier verlängert sich die Löschungsfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe)

10 Jahre ( zuzüglich der Dauer der verhängten Freiheitsstrafe) bei Verurteilung zu Freiheits- oder Jugendstrafe über 1 Jahr wegen bestimmter Sexualdelikte. 


5 Jahre (zuzüglich der Dauer der verhängten Freiheitsstrafe) in allen übrigen Fällen.
Längere Löschungsfristen bestehen bei dem sog. erweiterten Führungszeugnis. Hier werden bestimmte Verurteilungen, insbes. wegen bestimmter Sexualdelikte erst nach 10 oder sogar 20 Jahren (zum Teil zuzüglich der Dauer der verhängten Freiheitsstrafe) gelöscht

Sind im Register mehrere Verurteilungen eingetragen, so sind sie bis auf bestimmte Ausnahmen alle in das Führungszeugnis aufzunehmen, solange eine von ihnen in das Führungszeugnis aufzunehmen ist.“


Wann gilt man als vorbestraft?

Umgangssprachlich gilt man als vorbestraft, wenn man von einem Strafgericht zu einer Strafe verurteilt worden ist. Das wäre letztlich bei jeder Verurteilung, die auch im Bundeszentralregister aufzunehmen ist, der Fall. Zum Zwecke der Resozialisierung der Betroffenen gilt man aber nicht wegen jeder strafgerichtlichen Verurteilung als vorbestraft.

Der Verurteilte darf sich vielmehr grundsätzlich als nicht vorbestraft bezeichnen und braucht den der Verurteilung zugrundeliegenden Sachverhalt nicht zu offenbaren, wenn die Strafe nicht in einem Führungszeugnis aufgeführt ist bzw. wenn sie nach Ablauf der „Löschungsfristen“ nicht mehr in ein Führungszeugnis aufzunehmen ist, sie also „gelöscht“ worden ist. Ausnahmen gelten insofern in bestimmten Fällen gegenüber Gerichten und Behörden.

Verurteilungen wegen einer Ordnungswidrigkeit (z.B. wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit oder wegen „Falschparkens“) und Verfahrenseinstellungen führen nicht zu einer Vorstrafe.

Über den Autor

Grüße aus Dortmund! Mein Name ist Christian Kucera und ich bin Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht sowie Ex-Staatsanwalt. Seit über 23 Jahren bin ich in Dortmund und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

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Nicht selten entnimmt man den Medien, dass von der Öffentlichkeit stark beachtete Strafverfahren, wie beispielsweise das seinerzeitige „Mannesmann-Verfahren“ gegen Verhängung einer Geldauflage eingestellt werden. Dies führt in der Öffentlichkeit nicht selten zu heftiger Kritik. „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“ – so der Eindruck vieler. Verfolgt man die öffentliche Diskussion fällt auf, dass vielfach Unkenntnis über die rechtlichen Grundlagen der erfolgten Einstellung des Mannesmann-Prozesses herrscht, was zum Teil zu einer undifferenzierten und überzogenen Kritik führt. Im Folgenden sollen daher die wesentlichen rechtlichen Grundlagen für eine Einstellung eines Strafverfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage skizziert werden. Grundlage der Einstellung war § 153a der Strafprozessordnung (StPO). Der Gesetzgeber führte die Vorschrift 1974 zur Entlastung der Justiz im Bereich der kleineren und mittleren Kriminalität ein. Der Anwendungsbereich wurde seitdem ständig erweitert. Heute gehört die Vorschrift zum Praxisalltag. 2004 sind von deutschen Staatsanwaltschaften rund 250.000 Ermittlungsverfahren und allein von deutschen Amtsgerichten rund 67.000 Gerichtsverfahren nach § 153 a StPO eingestellt worden. Studien haben bislang keine direkten Hinweise auf eine Privilegierung begüterter Beschuldigte insbesondere in den komplizierten Wirtschafts- und Steuerstrafverfahren ergeben. § 153a StPO gelangt nur bei rechtswidrigen Taten zur Anwendung, die nach dem Gesetz im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe unter einem Jahr oder mit Geldstrafe bedroht sind (Vergehen). Zudem darf die Schwere der Schuld des Beschuldigten einer Einstellung nicht entgegenstehen. Es darf sich höchstens um eine Schuld im mittleren Bereich handeln. Das Gesetz verlangt dabei nur eine hypothetische Schuldbeurteilung, weil zum Zeitpunkt der Einstellung das Strafverfahren noch nicht vollständig durchgeführt worden ist. Das Maß der Schuld hängt u.a. von der Art der Tatausführung, den verschuldeten Auswirkungen der Tat, dem Maß der Pflichtwidrigkeit, aber auch von personalen Faktoren des Beschuldigten vor und nach der Tat ab. Eine Einstellung erfolgt nur gegen Erteilung von Auflagen und Weisungen, welche besondere nicht strafrechtliche Sanktionen darstellen und in § 153a Abs. 1 Satz 2 StPO beispielhaft aufgeführt sind. Die Geldauflage zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse kommt in der Praxis besonders häufig vor. Die Auflagen bzw. Weisungen müssen schließlich geeignet sein, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen. Dieses orientiert sich an dem Sinn und Zweck staatlichen Strafens, zu denen u.a. Schuldausgleich, Prävention, Resozialisierung sowie Sühne und Vergeltung für begangenes Unrecht zählen. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien hat die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht im Rahmen eines relativ weiten Beurteilungsspielraumes zu entscheiden, ob eine Fortsetzung des Verfahrens notwendig erscheint. Sind die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt, kann das Verfahren vor Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft und nach Anklageerhebung durch das zuständige Gericht vorläufig eingestellt werden. Gericht, Staatsanwaltschaft und der Beschuldigte müssen jeweils zustimmen. In Fällen geringfügiger Vergehen kann bei einer Einstellung vor Anklageerhebung unter bestimmten Voraussetzungen die Zustimmung des Gerichts entbehrlich sein. Für die Erfüllung der Auflagen bzw. Weisungen werden Fristen gesetzt. Werden die Auflagen erfüllt, wird das Verfahren dann endgültig eingestellt. Die Tat kann dann nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Besonders praxisbedeutsam ist, dass die Beschuldigten bei einer Einstellung nach § 153a StPO als nicht vorbestraft gelten und eine Eintragung in das sog. polizeiliche Führungszeugnis unterbleibt. Sie haben Fragen zu diesem Thema?
Hände zu Fäusten geballt mit angelegten Handschellen
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In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Ratsuchende völlig aufgelöst in der Kanzlei anrufen und „ganz dringend“ einen Besprechungstermin benötigen. Was ist passiert? Die Ratsuchenden haben von der Staatsanwaltschaft eine Strafantrittsladung erhalten, mit der sie aufgefordert werden, sich zur Vollstreckung einer Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe innerhalb einer gewissen Frist oder zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) einzufinden. Dies ist natürlich für die meisten Personen und deren Umfeld eine dramatische Situation, denn im Falle einer Inhaftierung wird man aus seinem bisherigen Leben herausgerissen. Die familiären, sozialen und beruflichen Folgen sind oft gravierend.
Rechtsanwalt und Mandat geben sich die Hände
von Rechtsanwalt Christian Kucera 28 Juni, 2023
Der sog. „Täter-Opfer-Ausgleich“ (TOA) stellt eine Möglichkeit zur außergerichtlichen Konfliktschlichtung dar. Er soll das Interesse von Tatopfern an Schadenkompensation verwirklichen und dem (mutmaßlichen) Täter sollen die Folgen seines Handelns klargemacht und seine Bereitschaft gefördert werden, hierfür Verantwortung zu übernehmen. Der TOA dient also im Wesentlichen der Aufarbeitung der Straftat, der Befriedung des Konfliktes und der Aushandlung der Wiedergutmachung und ist in vielfältigen Formen durchführbar. Gesetzliche Regelungen zum TOA finden sich insbes. in den §§ 46 und 46a des Strafgesetzbuches (StGB), sowie den §§ 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 und 155a Strafprozessordnung (StPO) sowie in §§ 45 Abs. 2 Satz 2, 47 Abs. 1 und 10 Abs. 1 Nr. 7 Jugendgerichtsgesetz (JGG). Der TOA ist nicht auf bestimmte, etwa leichtere Straftaten oder Bagatellfälle begrenzt. Er kommt auch im mittleren Kriminalitätsbereich und auch bei schwerer Straftat in Betracht. In der Praxis spielt der TOA u.a. bei Körperverletzungs- , Eigentums- und Vermögensdelikten (z.B. Diebstahl, Betrug), aber auch bei Raub- , Erpressung- oder bei Sexualdelikten eine bedeutende Rolle. Von besonderer Bedeutung für Beschuldigte in Strafverfahren ist, dass bei Durchführung oder auch bei ernsthaftem Erstreben eines TOA u.U. eine deutliche Strafmilderung und in bestimmten – eher weniger schwerwiegenden - Fällen sogar eine Einstellung des Verfahrens oder ein Absehen von Strafe erreicht werden kann. In der Praxis entscheidet – bei schwereren Tatvorwürfen – die Durchführung oder zumindest das ernsthafte Erstreben eines TOA nicht selten über die Frage, ob überhaupt noch eine Freiheitsstrafe zur Bewährung erreicht werden kann oder ob ein Verurteilter eine Haftstrafe im Gefängnis verbüßen muss. Ist an den Tatvorwürfen „etwas dran“, empfiehlt es sich in vielen Fällen, möglichst frühzeitig einen TOA durchzuführen oder dies zumindest ernsthaft zu versuchen. Um als Beschuldigter in den Genuss der oben genannten Rechtsvorteile, wie insbesondere einer deutlichen Strafmilderung zu kommen, verlangt die Rechtsprechung aber umfassende Ausgleichsbemühungen und einen sog. „ kommunikativen Prozess “ zwischen Täter und Opfer. Das Verhalten des Täters muss hiernach „ Ausdruck der Übernahme von Verantwortung “ sein und „ friedensstiftende Wirkung “ haben. Hierfür ist i.d.R. u.a. ein Geständnis , das Bekennen zur Schuld und das Respektieren der Opferposition der geschädigten Person, eine Entschuldigung und die Zahlung einer Entschädigung , oft in Form eines Schmerzensgeldes erforderlich. Wie genau ein TOA durchgeführt wird, hängt vom Einzelfall und von auch der Frage ab, in welchem Stadium des Strafverfahrens man sich befindet. Die Initiative für einen TOA können u.a. die Staatsanwaltschaft oder manchmal auch das Gericht, aber auch Täter und Opfer selbst ergreifen. Durchführen tut den TOA dann häufig eine TOA-Stelle, wie z.B. die sog. Gerichtshilfe oder ein anderer sozialer Dienst der Justiz, vielfach auch freie Träger (spezielle meist als Verein organisierte Einrichtungen, Opferhilfevereine usw.) oder im Jugendbereich die Jugendgerichtshilfe oder andere Stellen des Jugendamtes. In der Praxis wird der TOA auch häufig durch den Rechtsanwalt und Verteidiger des Beschuldigten durchgeführt. In geeigneten Fällen nimmt der Verteidiger dann mit dem Geschädigten bzw. dessen anwaltlicher Vertretung außergerichtlich Kontakt zwecks Durchführung eines TOA auf. Die Frage, ob ein TOA im Einzelfall in Betracht kommt und durchgeführt werden oder zumindest erstrebt werden sollte, vor allem auch die Frage, ob man selbst die Initiative für einen TOA ergreifen sollte, ist vielfach schwer zu beantworten. Das gilt auch für die Frage, wie genau und wann ein TOA durchgeführt oder ernsthaft versucht werden sollte. Insbesondere bei schwereren Tatvorwürfen, bei denen ein TOA ggf. über Haft oder Bewährungsstrafe entscheiden kann, sollte der Rat eines erfahrenen Strafverteidigers eingeholt werden! Rechtsanwalt Kucera berät Sie in Ihrem Fall hierzu gerne.

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