Das Strafverfahren: Was Sie über dieses wissen sollten

Rechtsanwalt Christian Kucera • Juni 28, 2023

1. Einführung

In der täglichen Praxis als Strafverteidiger erlebt man es immer wieder, dass die um Rat suchenden Mandanten, gegen die erstmals ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist, oftmals nicht wissen, was auf sie zukommt und wie im Einzelnen das Verfahren abläuft. Diese Personen bekommen von der Polizei Vernehmungsbögen oder Vorladungen zu Beschuldigtenvernehmungen, erhalten Anklageschriften von der Staatsanwaltschaft oder Strafbefehle vom Gericht oder werden von einem Gericht zu einer Hauptverhandlung geladen. Hat man mit Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten noch keinerlei Erfahrungen gemacht und wird man einer Straftat beschuldigt, ist die Verwirrung und Angst oft groß. Es besteht Ungewissheit darüber, mit wem man es in den einzelnen Verfahrensabschnitten zu tun hat, was mit einem denn eigentlich "geschieht" und was die einzelnen Institutionen für Aufgaben und Rechte haben.

Im Folgenden wird Ihnen daher ein kurzer Überblick gegeben über die Aufgaben, die Bedeutung und den Ablauf eines Strafverfahrens.

2. Aufgaben und Bedeutung: Was ist ein Strafverfahren und wozu dient es?

Das Strafrecht regelt im Strafgesetzbuch (StGB) und zahlreichen anderen Gesetzen des sog. Nebenstrafrechts (z.B. Betäubungsmittelgesetz, Straßenverkehrsgesetz, Abgabenordnung), welche sozialschädlichen Verhaltensweisen unter Strafandrohung verboten sind und welche Sanktionen bei Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschriften drohen. So heißt es z.B. in § 242 Abs. 1 StGB:

„Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Durch die Strafvorschriften sollen die Grundwerte bzw. wichtigen Rechtsgüter der staatlichen Gemeinschaft geschützt und der Rechtsfrieden bewahrt werden.

Das Strafverfahren dient nun der Durchsetzung dieser Ziele. Seine Aufgabe ist es, in einem rechtlich geordneten Verfahren festzustellen, ob sich eine Person eines Verstoßes gegen Strafvorschriften schuldig gemacht hat, ein entsprechendes Urteil zu ermöglichen und dieses gegebenenfalls durchzusetzen.

Gesetzliche Grundlagen des Strafverfahrensrechts sind in erster Linie die Strafprozessordnung (StPO) und das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Weitere Verfahrensregelungen sind u.a. enthalten im Jugendgerichtsgesetz (JGG), im Grundgesetz (GG) und in der Menschenrechtskonvention (MRK).

3. Gliederung des Strafverfahrens: Die einzelnen Verfahrensabschnitte

Das Strafverfahren gliedert sich in drei Abschnitte mit jeweils ganz unterschiedlichen Aufgaben. Man unterscheidet zwischen Ermittlungsverfahren, gerichtlichem Verfahren und Vollstreckungsverfahren.

a) Das Ermittlungsverfahren

Das Ermittlungsverfahren (auch Vorverfahren genannt) dient der Ermittlung, ob der Beschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig ist, d.h. ob also nach vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit einer späteren Verurteilung besteht, und ob gegen ihn eine öffentliche Klage (Anklage) erhoben werden soll. Das Ermittlungsverfahren steht unter der Herrschaft der Staatsanwaltschaft. Das Vorverfahren liegt in ihrer Hand.

Das Verfahren kommt in Gang, sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erlangt (§ 160 StPO). Ist dies der Fall, erforscht die Staatsanwaltschaft den Sachverhalt. Hierbei hat sie nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln.

Bei ihren Ermittlungen wird die Staatsanwaltschaft durch andere staatliche Organe, vor allem von der Polizei, unterstützt. Diese führt auf Anordnung der Staatsanwaltschaft verschiedenste Ermittlungsmaßnahmen, wie z.B. Vernehmungen und Durchsuchungen durch. In der Praxis wird meist die erste Ermittlungstätigkeit durch die Polizei vorgenommen, weil z.B. Strafanzeigen direkt bei ihr gestellt werden oder weil die Polizei auf anderem Wege noch vor der Staatsanwaltschaft von Straftaten Kenntnis erlangt. Die Polizei führt dann zunächst selbständig die Ermittlungen durch und legt eine entsprechende Akte an. Sobald der Vorgang „ausermittelt" ist, legt die Polizei die Akte der Staatsanwaltschaft vor. Diese legt nunmehr eine staatsanwaltliche Akte mit entsprechendem Aktenzeichen an. Soweit die Staatsanwaltschaft noch Ermittlungen für erforderlich hält, führt sie diese entweder selbst durch oder beauftragt die Polizei mit der Durchführung.

Ungeachtet der organisatorischen Selbständigkeit der Polizei bilden ihre Ermittlungen und die der Staatsanwaltschaft aber stets eine Einheit.

Gewisse Zwangsmaßnahmen (z.B. die Durchsuchung, Beschlagnahme oder die Anordnung der Untersuchungshaft) sind nur unter Mitwirkung des Gerichts zulässig. Die Staatsanwaltschaft stellt in diesen Fällen entsprechende Anträge beim zuständigen Ermittlungsrichter, soweit nicht eine besondere Dringlichkeit vorliegt und das Gesetz ausnahmsweise eine Anordnung durch die Staatsanwaltschaft oder auch der Polizei zulässt.

Am Ende des Ermittlungsverfahrens steht die abschließende Verfügung der Staatsanwaltschaft (also niemals der Polizei). Besteht hinreichender Verdacht einer Straftat, erhebt die Staatsanwaltschaft öffentliche Klage. Dies geschieht grundsätzlich durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. Besteht kein hinreichender Tatverdacht, stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Zudem hat die Staatsanwaltschaft in bestimmten Fällen die Möglichkeit, das Verfahren aus prozessökonomischen Gründen nicht weiterzuverfolgen (z.B. § 154 StPO) oder (insbesondere bei Ersttätern) bis in Bereiche der mittleren Kriminalität mit Zustimmung des zuständigen Gerichts von einer Verfolgung abzusehen (z.B. §§ 153 und 153a StPO).

b) Zwischenverfahren

Hat sich die Staatsanwaltschaft entschlossen, öffentliche Klage zu erheben, reicht sie bei dem zuständigen Gericht eine Anklageschrift ein. Welches Gericht im Einzelnen sachlich zuständig ist, richtet sich nach der Art und Schwere des Tatvorwurfs. Gesetzliche Grundlage für die Bestimmung des sachlich zuständigen Gerichts ist das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Je nach Schwere des Tatvorwurfs entscheidet das Amtsgericht (Strafrichter oder Schöffengericht), das Landgericht (große Strafkammer, bei besonders schweren Tatvorwürfen, wie z.B. Mord, eine Strafkammer als Schwurgericht) oder bei Staatsschutzsachen (z.B. bei Hochverrat, Völkermord oder terroristischen Gewalttaten) das Oberlandesgericht.

Mit der Einreichung der Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht beginnt das gerichtliche Zwischenverfahren (auch Eröffnungsverfahren genannt). In ihm prüft nunmehr das Gericht, ob der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig ist. Das Gericht teilt dem Angeschuldigten zunächst die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft mit. Der Angeschuldigte kann nun innerhalb einer ihm vom Gericht gesetzten Frist einzelne Beweiserhebungen beantragen oder Einwendungen gegen die Anklage vorbringen, mit denen sich das Gericht dann zu befassen hat. Auch das Gericht kann schon im Zwischenverfahren einzelne Beweise erheben, um den Sachverhalt weiter aufzuklären.

Kommt das Gericht am Ende des Zwischenverfahrens zu dem Ergebnis, dass der Angeschuldigte der Tat nicht hinreichend verdächtig ist, lehnt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Andernfalls beschließt es die Eröffnung des Hauptverfahrens. In diesem Beschluss wird dann die Anklage der Staatsanwaltschaft zur Hauptverhandlung zugelassen. Zudem bestimmt das Gericht einen Hauptverhandlungstermin.

c) Hauptverfahren

Beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, beginnt mit diesem der Schwerpunkt des Strafverfahrens. Kern des Hauptverfahrens wiederum ist die Hauptverhandlung. In dieser wird über Schuld oder Unschuld des Angeklagten und über die Rechtsfolgen bei einem Schuldspruch entschieden. Das Gericht bereitet die Hauptverhandlung vor, indem es zunächst einen Termin anberaumt, zu dem die Hauptverhandlung stattfinden soll. Zudem werden der Angeklagte und die weiteren Beteiligten (Verteidiger, Zeugen usw.) zur Hauptverhandlung geladen. Der Eröffnungsbeschluss wird dem Angeklagten spätestens mit der Ladung zugestellt. Der Angeklagte kann die Ladung von Zeugen oder Sachverständigen oder die Herbeischaffung anderer Beweismittel beim Gericht beantragen und u.U. selbst Zeugen oder Sachverständige laden lassen (§§ 219, 220 StPO).

Die Hauptverhandlung (vgl. § 243 StPO) selbst beginnt mit dem Aufruf der Sache durch das Gericht. In dem Gerichtssaal sitzen am Richtertisch „vor Kopf" der oder die Richter und evtl. zusätzlich die Schöffen und ein Protokollführer. An einem der Tische vor dem Richtertisch nimmt der Angeklagte und sein Verteidiger Platz. Ihnen gegenüber sitzt der Staatsanwalt.

Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend sind und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständige erschienen sind. Nachdem die Zeugen daraufhin den Sitzungssaal zunächst verlassen, befragt das Gericht den Angeklagten zunächst über seine persönlichen Verhältnisse. Daraufhin verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz aus der Anklageschrift. Danach wird der Angeklagte über sein Schweigerecht informiert. Entschließt sich der Angeklagte, Angaben zu machen, vernimmt ihn das Gericht zur Sache.

Sodann folgt die Beweisaufnahme. In ihr forscht das Gericht nach der Wahrheit (vgl. § 243 Abs. 2 StPO) und klärt den Tatvorwurf auf, indem es Zeugen und Sachverständige vernimmt und sonstige als Beweismittel dienende Schriftstücke und Gegenstände verwertet. Nachdem alle Beweismittel ausgeschöpft worden sind, schließt das Gericht die Beweisaufnahme.

Sodann erhalten der Staatsanwalt und der Angeklagte zu ihren Ausführungen und Anträgen das Wort (Schlussvortrag oder auch Plädoyer genannt).

Dem Angeklagten gebührt stets das sog. „letzte Wort". Hierdurch erhält er Gelegenheit, noch etwas zu seiner Verteidigung vorzubringen, bevor sich das Gericht zur Beratung zurückzieht.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpften Überzeugung (Grundsatz der freien Beweiswürdigung, § 261 StPO). Hat das Gericht nach der Beweisaufnahme noch Zweifel an der Schuld des Angeklagten, muss es diesen freisprechen („Im Zweifel für den Angeklagten" oder auch „In dubio pro reo"). Nur wenn das Gericht von der Schuld des Angeklagten überzeugt ist, darf es ihn verurteilen.

Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Urteilsverkündung. Das Verfahren ist damit in der ersten Instanz abgeschlossen. Gegen das Urteil kann der Verurteilte oder auch die Staatsanwaltschaft nun innerhalb bestimmter Fristen Rechtsmittel (Berufung oder Revision) einlegen. Geschieht dies nicht oder bleiben Rechtsmittel erfolglos, wird das Urteil rechtskräftig, d.h. dass dieses nunmehr nicht mehr anfechtbar ist. Die Entscheidung, bei Verurteilung der Schuldspruch und die Rechtsfolgeentscheidung, wird unabänderlich. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist nur in engen Grenzen möglich.

d) Das Vollstreckungsverfahren

Ist das Urteil rechtskräftig geworden, schließt sich das Vollstreckungsverfahren an. In diesem werden die in dem Urteil ausgesprochenen Rechtsfolgen der Tat (z.B. Geldstrafe oder Freiheitsstrafe) verwirklicht bzw. durchgesetzt. Die Strafvollstreckung erfolgt durch die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde. Bei der Vollstreckung von Rechtsfolgen gegen Jugendliche oder gegen nach Jugendstrafrecht verurteilte Heranwachsende sind die Aufgaben der Vollstreckungsbehörde dem Jugendrichter als Vollstreckungsleiter übertragen (§ 82 Abs. 1 JGG). Rechtsgrundlagen der Strafvollstreckung sind u.a. die §§ 449 – 463 d StPO, die Strafvollstreckungsordnung (StVollstrO) und bei Geldstrafen auch die Justizbeitreibungsordnung (JBeitrO) sowie die Einforderungs- und Beitreibungsordnung (EBAO). Bei Freiheitsstrafen gehört i.w.S. zur Strafvollstreckung der eigentliche Strafvollzug, dessen Einzelheiten das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) regelt.

4. Besondere Verfahrensart: Das Strafbefehlsverfahren

Das Strafbefehlsverfahren (§§ 407 – 412 StPO) dient der schnellen und kostengünstigen Straffestsetzung ohne aufwendige und Aufsehen in der Öffentlichkeit erregende Hauptverhandlung. Es kommt nur bei einfach liegenden Fällen und bei Vergehen geringeren Gewichts in Betracht, die zur Zuständigkeit des Amtsgericht (Strafrichter oder Schöffengericht) gehören. Es dürfen nur bestimmte Rechtsfolgen, wie z.B. Geldstrafe festgesetzt werden. Eine Freiheitsstrafe kann nur festgesetzt werden, wenn diese ein Jahr nicht übersteigt, sie zur Bewährung ausgesetzt wird und der Beschuldigte einen Verteidiger hat.

Die Staatsanwaltschaft beantragt in geeigneten Fällen beim Amtsgericht den Erlass eines Strafbefehls. Hat das Gericht gegen den Antrag keine Bedenken, erlässt es den Strafbefehl. Wenn das Gericht aber Bedenken hat, ohne eine Hauptverhandlung zu entscheiden, wenn es von der rechtlichen Beurteilung im Strafbefehlsantrag abweicht oder eine andere als die beantragte Strafe festsetzen will und die Staatsanwaltschaft bei ihrem Antrag bleibt, so beraumt das Gericht Hauptverhandlung an und leitet die Angelegenheit damit in das normale Strafverfahren über.

Erlässt das Gericht einen Strafbefehl, kann der Beschuldigte gegen diesen innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch einlegen und hierdurch erreichen, dass Termin zur Hauptverhandlung anberaumt wird. Legt der Beschuldigte nicht fristgerecht oder gar nicht Einspruch ein, wird der Strafbefehl rechtskräftig und kann vollstreckt werden.

5. Beteiligung des Verletzten am Strafverfahren

Das Gesetz lässt unter gewissen Voraussetzungen zu, dass sich der durch eine Straftat Verletzte an dem Strafverfahren aktiv beteiligen kann.

a) Privatklage ( §§ 374 – 394 StPO)

Bei bestimmten „leichteren" Delikten, die im Gesetz aufgeführt sind (z.B. Haufriedensbruch, Beleidigung und Körperverletzung) und die Allgemeinheit i.d.R. wenig berühren, erhebt die Staatsanwaltschaft öffentliche Klage nur, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt. Verneint sie dieses und sieht sie von der Erhebung der Anklage ab, kann statt dessen der Verletzte selbst eine Klage (Privatklage) erheben und so die Verfolgung des Täters erreichen. Das Verfahren richtet sich nach Erhebung der Privatklage nach den Vorschriften, die für das normale Strafverfahren gelten. Bei verschiedenen Delikten ist die Erhebung der Privatklage aber erst zulässig, wenn zuvor ein Sühneversuch vor einer Vergleichsbehörde (Schiedsmann/-frau) erfolglos versucht worden ist. Die Privatklage kann zu Protokoll der Geschäftsstelle oder durch Einreichung einer Anklageschrift erhoben werden. Die Staatanwaltschaft kann in jeder Lage der Sache bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils die Verfolgung übernehmen.

b) Nebenklage (§§ 395 – 402 StPO)

Eine umfassende Beteiligung des Opfers besonders schwerwiegender Delikte (z.B. Vergewaltigung, Körperverletzung oder Geiselnahme) gewährleistet die Nebenklage. Dem Nebenkläger wird die Gelegenheit gegeben, im Verfahren seine persönlichen Interessen auf Genugtuung zu verfolgen, insbesondere durch aktive Beteiligung (Erklärungen, Fragen, Anträge, Einlegung von Rechtsmitteln usw.) das Verfahrensergebnis zu beeinflussen. Seiner Rechtsstellung nach ist der Nebenkläger ein mit besonderen Rechten ausgestatteter Verfahrensbeteiligter. Der Nebenkläger kann sich des Beistandes eines Rechtsanwalts bedienen, dessen Kosten unter gewissen Voraussetzungen von der Staatskasse übernommen werden. Will sich der Verletzte der öffentlichen Klage als Nebenkläger anschließen, muss er gegenüber dem Gericht den Anschluss schriftlich erklären. Über die Berechtigung zum Anschluss als Nebenkläger entscheidet dann das Gericht.

c) Entschädigung des Verletzten: Das Adhäsionsverfahren (§§ 403 – 406 c StPO)

Das Opfer einer Straftat erlangt häufig durch die Straftat auch einen zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch (z.B. Schmerzensgeldanspruch bei Körperverletzungen) gegen den Täter. Diese zivilrechtlichen Ansprüche müssen grds. vor den Zivilgerichten verfolgt werden. Das Strafverfahren ist grds. streng von dem Zivilverfahren zu trennen, da beide Verfahren unterschiedliche Zwecke verfolgen. Im Rahmen des Adhäsionsverfahrens kann der Verletzte unter gewissen Voraussetzungen jedoch ausnahmsweise gegen den Beschuldigten einen aus der Straftat erwachsenden vermögensrechtlichen Anspruch schon im Strafverfahren geltend machen. Dadurch kann vermieden werden, dass mehrere Gerichte in derselben Sache tätig werden und zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Der Antrag, durch den der zivilrechtliche Anspruch geltend gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundenbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlussvorträge gestellt werden. Der Antrag muss Gegenstand und Grund des Anspruchs bestimmt bezeichnen und soll die Beweismittel enthalten. Dem Antragsteller und dem Angeschuldigten kann auf Antrag Prozesskostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten bewilligt werden. Eine Entscheidung über den Anspruch ergeht in dem Strafurteil.

d) Sonstige Befugnisse des Verletzten (§§ 406 d – 406 h StPO)

Das Gesetz sieht als weitere Befugnisse des Verletzten vor, dass diesem auf Antrag der Ausgang des gerichtlichen Verfahrens mitzuteilen ist, soweit es ihn betrifft. Zudem hat er unter gewissen Voraussetzungen einen Akteneinsichtsanspruch. Schließlich kann sich der Verletzte im Strafverfahren des Beistandes eines Rechtsanwalts bedienen oder sich durch einen solchen vertreten lassen. Dieser Rechtsanwalt hat dann u.a. ein Anwesenheitsrecht bei Vernehmungen des Verletzten und kann dessen Recht zur Beanstandung von Fragen ausüben. 

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Über den Autor

Grüße aus Dortmund! Mein Name ist Christian Kucera und ich bin Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht sowie Ex-Staatsanwalt. Seit über 23 Jahren bin ich in Dortmund und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

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Im Folgenden wird ein Überblick gegeben über die wesentlichen und in der Praxis bedeutsamsten Möglichkeiten der Anfechtung strafrichterlicher Entscheidungen. Will man sich gegen die Entscheidung eines Gerichts im Strafverfahren wehren, sieht das Gesetz folgende sog. „ordentlichen Rechtsbehelfe“ vor: Sog. Rechtsmittel: Beschwerde, Berufung und Revision Einspruch gegen einen Strafbefehl Daneben gibt es noch die sog. „außerordentlichen Rechtsbehelfe“. Zu denen gehören: Wiederaufnahme des Verfahrens Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Verfassungsbeschwerde Neben all diesen Rechtsbehelfen kommen u.U. weitere Rechtsbehelfe, wie z.B. Gegenvorstellungen oder Dienstaufsichtsbeschwerden in Betracht, die jedoch außerhalb der Verfahrensordnung stehen und auf den Verfahrensablauf keinen unmittelbaren Einfluss haben und daher in der Praxis auch eine untergeordnete Rolle spielen. Auch die Menschenrechtsbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ist ein Rechtsbehelf, der in der Praxis eher eine Ausnahmerolle einnimmt. Über die Möglichkeiten, Erfolgsaussichten und Zweckmäßigkeit solcher Rechtsbehelfe informiert Sie die Anwaltskanzlei Kucera bei Bedarf jedoch gerne im Rahmen eines individuellen Beratungsgesprächs. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf die in der Praxis bedeutsamsten und gesetzlich geregelten Rechtsbehelfe. Hierbei wird für den Ratsuchenden ein erster Überblick über das Wesen und die wesentlichen Voraussetzungen der Rechtsbehelfe gegeben. Besonderheiten für den Bereich des Jugendstrafrechts werden an dieser Stelle ausgeklammert. Darüber hinaus wird ausdrücklich empfohlen, einen im Strafrecht spezialisierten Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen, wenn Sie von einer strafrechtlichen Entscheidung betroffen sind, deren Überprüfung Sie erstreben. Die Rechtsanwaltskanzlei Kucera berät Sie in diesem Fall gern.
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Nicht selten entnimmt man den Medien, dass von der Öffentlichkeit stark beachtete Strafverfahren, wie beispielsweise das seinerzeitige „Mannesmann-Verfahren“ gegen Verhängung einer Geldauflage eingestellt werden. Dies führt in der Öffentlichkeit nicht selten zu heftiger Kritik. „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“ – so der Eindruck vieler. Verfolgt man die öffentliche Diskussion fällt auf, dass vielfach Unkenntnis über die rechtlichen Grundlagen der erfolgten Einstellung des Mannesmann-Prozesses herrscht, was zum Teil zu einer undifferenzierten und überzogenen Kritik führt. Im Folgenden sollen daher die wesentlichen rechtlichen Grundlagen für eine Einstellung eines Strafverfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage skizziert werden. Grundlage der Einstellung war § 153a der Strafprozessordnung (StPO). Der Gesetzgeber führte die Vorschrift 1974 zur Entlastung der Justiz im Bereich der kleineren und mittleren Kriminalität ein. Der Anwendungsbereich wurde seitdem ständig erweitert. Heute gehört die Vorschrift zum Praxisalltag. 2004 sind von deutschen Staatsanwaltschaften rund 250.000 Ermittlungsverfahren und allein von deutschen Amtsgerichten rund 67.000 Gerichtsverfahren nach § 153 a StPO eingestellt worden. Studien haben bislang keine direkten Hinweise auf eine Privilegierung begüterter Beschuldigte insbesondere in den komplizierten Wirtschafts- und Steuerstrafverfahren ergeben. § 153a StPO gelangt nur bei rechtswidrigen Taten zur Anwendung, die nach dem Gesetz im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe unter einem Jahr oder mit Geldstrafe bedroht sind (Vergehen). Zudem darf die Schwere der Schuld des Beschuldigten einer Einstellung nicht entgegenstehen. Es darf sich höchstens um eine Schuld im mittleren Bereich handeln. Das Gesetz verlangt dabei nur eine hypothetische Schuldbeurteilung, weil zum Zeitpunkt der Einstellung das Strafverfahren noch nicht vollständig durchgeführt worden ist. Das Maß der Schuld hängt u.a. von der Art der Tatausführung, den verschuldeten Auswirkungen der Tat, dem Maß der Pflichtwidrigkeit, aber auch von personalen Faktoren des Beschuldigten vor und nach der Tat ab. Eine Einstellung erfolgt nur gegen Erteilung von Auflagen und Weisungen, welche besondere nicht strafrechtliche Sanktionen darstellen und in § 153a Abs. 1 Satz 2 StPO beispielhaft aufgeführt sind. Die Geldauflage zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse kommt in der Praxis besonders häufig vor. Die Auflagen bzw. Weisungen müssen schließlich geeignet sein, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen. Dieses orientiert sich an dem Sinn und Zweck staatlichen Strafens, zu denen u.a. Schuldausgleich, Prävention, Resozialisierung sowie Sühne und Vergeltung für begangenes Unrecht zählen. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien hat die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht im Rahmen eines relativ weiten Beurteilungsspielraumes zu entscheiden, ob eine Fortsetzung des Verfahrens notwendig erscheint. Sind die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt, kann das Verfahren vor Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft und nach Anklageerhebung durch das zuständige Gericht vorläufig eingestellt werden. Gericht, Staatsanwaltschaft und der Beschuldigte müssen jeweils zustimmen. In Fällen geringfügiger Vergehen kann bei einer Einstellung vor Anklageerhebung unter bestimmten Voraussetzungen die Zustimmung des Gerichts entbehrlich sein. Für die Erfüllung der Auflagen bzw. Weisungen werden Fristen gesetzt. Werden die Auflagen erfüllt, wird das Verfahren dann endgültig eingestellt. Die Tat kann dann nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Besonders praxisbedeutsam ist, dass die Beschuldigten bei einer Einstellung nach § 153a StPO als nicht vorbestraft gelten und eine Eintragung in das sog. polizeiliche Führungszeugnis unterbleibt. Sie haben Fragen zu diesem Thema?
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In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Ratsuchende völlig aufgelöst in der Kanzlei anrufen und „ganz dringend“ einen Besprechungstermin benötigen. Was ist passiert? Die Ratsuchenden haben von der Staatsanwaltschaft eine Strafantrittsladung erhalten, mit der sie aufgefordert werden, sich zur Vollstreckung einer Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe innerhalb einer gewissen Frist oder zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) einzufinden. Dies ist natürlich für die meisten Personen und deren Umfeld eine dramatische Situation, denn im Falle einer Inhaftierung wird man aus seinem bisherigen Leben herausgerissen. Die familiären, sozialen und beruflichen Folgen sind oft gravierend.
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Strafgerichtliche Verurteilungen haben nicht nur Geld- oder Freiheitsstrafen zur Folge. Vor Antritt einer neuen Arbeit oder wenn man beruflich, ehrenamtlich oder auf sonstige Weise eine Tätigkeit ausüben will, bei der man Kontakt zu Minderjährigen hat, kann ein Führungszeugnis verlangt werden. Enthält dieses Hinweise auf strafgerichtliche Verurteilungen, ist man also vorbestraft, kann das für die erstrebten Tätigkeiten oft das Aus bedeuten.
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Der sog. „Täter-Opfer-Ausgleich“ (TOA) stellt eine Möglichkeit zur außergerichtlichen Konfliktschlichtung dar. Er soll das Interesse von Tatopfern an Schadenkompensation verwirklichen und dem (mutmaßlichen) Täter sollen die Folgen seines Handelns klargemacht und seine Bereitschaft gefördert werden, hierfür Verantwortung zu übernehmen. Der TOA dient also im Wesentlichen der Aufarbeitung der Straftat, der Befriedung des Konfliktes und der Aushandlung der Wiedergutmachung und ist in vielfältigen Formen durchführbar. Gesetzliche Regelungen zum TOA finden sich insbes. in den §§ 46 und 46a des Strafgesetzbuches (StGB), sowie den §§ 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 und 155a Strafprozessordnung (StPO) sowie in §§ 45 Abs. 2 Satz 2, 47 Abs. 1 und 10 Abs. 1 Nr. 7 Jugendgerichtsgesetz (JGG). Der TOA ist nicht auf bestimmte, etwa leichtere Straftaten oder Bagatellfälle begrenzt. Er kommt auch im mittleren Kriminalitätsbereich und auch bei schwerer Straftat in Betracht. In der Praxis spielt der TOA u.a. bei Körperverletzungs- , Eigentums- und Vermögensdelikten (z.B. Diebstahl, Betrug), aber auch bei Raub- , Erpressung- oder bei Sexualdelikten eine bedeutende Rolle. Von besonderer Bedeutung für Beschuldigte in Strafverfahren ist, dass bei Durchführung oder auch bei ernsthaftem Erstreben eines TOA u.U. eine deutliche Strafmilderung und in bestimmten – eher weniger schwerwiegenden - Fällen sogar eine Einstellung des Verfahrens oder ein Absehen von Strafe erreicht werden kann. In der Praxis entscheidet – bei schwereren Tatvorwürfen – die Durchführung oder zumindest das ernsthafte Erstreben eines TOA nicht selten über die Frage, ob überhaupt noch eine Freiheitsstrafe zur Bewährung erreicht werden kann oder ob ein Verurteilter eine Haftstrafe im Gefängnis verbüßen muss. Ist an den Tatvorwürfen „etwas dran“, empfiehlt es sich in vielen Fällen, möglichst frühzeitig einen TOA durchzuführen oder dies zumindest ernsthaft zu versuchen. Um als Beschuldigter in den Genuss der oben genannten Rechtsvorteile, wie insbesondere einer deutlichen Strafmilderung zu kommen, verlangt die Rechtsprechung aber umfassende Ausgleichsbemühungen und einen sog. „ kommunikativen Prozess “ zwischen Täter und Opfer. Das Verhalten des Täters muss hiernach „ Ausdruck der Übernahme von Verantwortung “ sein und „ friedensstiftende Wirkung “ haben. Hierfür ist i.d.R. u.a. ein Geständnis , das Bekennen zur Schuld und das Respektieren der Opferposition der geschädigten Person, eine Entschuldigung und die Zahlung einer Entschädigung , oft in Form eines Schmerzensgeldes erforderlich. Wie genau ein TOA durchgeführt wird, hängt vom Einzelfall und von auch der Frage ab, in welchem Stadium des Strafverfahrens man sich befindet. Die Initiative für einen TOA können u.a. die Staatsanwaltschaft oder manchmal auch das Gericht, aber auch Täter und Opfer selbst ergreifen. Durchführen tut den TOA dann häufig eine TOA-Stelle, wie z.B. die sog. Gerichtshilfe oder ein anderer sozialer Dienst der Justiz, vielfach auch freie Träger (spezielle meist als Verein organisierte Einrichtungen, Opferhilfevereine usw.) oder im Jugendbereich die Jugendgerichtshilfe oder andere Stellen des Jugendamtes. In der Praxis wird der TOA auch häufig durch den Rechtsanwalt und Verteidiger des Beschuldigten durchgeführt. In geeigneten Fällen nimmt der Verteidiger dann mit dem Geschädigten bzw. dessen anwaltlicher Vertretung außergerichtlich Kontakt zwecks Durchführung eines TOA auf. Die Frage, ob ein TOA im Einzelfall in Betracht kommt und durchgeführt werden oder zumindest erstrebt werden sollte, vor allem auch die Frage, ob man selbst die Initiative für einen TOA ergreifen sollte, ist vielfach schwer zu beantworten. Das gilt auch für die Frage, wie genau und wann ein TOA durchgeführt oder ernsthaft versucht werden sollte. Insbesondere bei schwereren Tatvorwürfen, bei denen ein TOA ggf. über Haft oder Bewährungsstrafe entscheiden kann, sollte der Rat eines erfahrenen Strafverteidigers eingeholt werden! Rechtsanwalt Kucera berät Sie in Ihrem Fall hierzu gerne.

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