Rechtsbehelfe im Strafrecht - wie man sich gegen Entscheidungen eines Strafgerichts wehren kann

Rechtsanwalt Christian Kucera • Juni 28, 2023

A) Überblick

Im Folgenden wird ein Überblick gegeben über die wesentlichen und in der Praxis bedeutsamsten Möglichkeiten der Anfechtung strafrichterlicher Entscheidungen.

Will man sich gegen die Entscheidung eines Gerichts im Strafverfahren wehren, sieht das Gesetz folgende sog. „ordentlichen Rechtsbehelfe“ vor:

  • Sog. Rechtsmittel: Beschwerde, Berufung und Revision
  • Einspruch gegen einen Strafbefehl


Daneben gibt es noch die sog. „außerordentlichen Rechtsbehelfe“. Zu denen gehören:

  • Wiederaufnahme des Verfahrens
  • Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
  • Verfassungsbeschwerde


Neben all diesen Rechtsbehelfen kommen u.U. weitere Rechtsbehelfe, wie z.B. Gegenvorstellungen oder Dienstaufsichtsbeschwerden in Betracht, die jedoch außerhalb der Verfahrensordnung stehen und auf den Verfahrensablauf keinen unmittelbaren Einfluss haben und daher in der Praxis auch eine untergeordnete Rolle spielen. Auch die Menschenrechtsbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ist ein Rechtsbehelf, der in der Praxis eher eine Ausnahmerolle einnimmt. Über die Möglichkeiten, Erfolgsaussichten und Zweckmäßigkeit solcher Rechtsbehelfe informiert Sie die Anwaltskanzlei Kucera bei Bedarf jedoch gerne im Rahmen eines individuellen Beratungsgesprächs.

Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf die in der Praxis bedeutsamsten und gesetzlich geregelten Rechtsbehelfe. Hierbei wird für den Ratsuchenden ein erster Überblick über das Wesen und die wesentlichen Voraussetzungen der Rechtsbehelfe gegeben. Besonderheiten für den Bereich des Jugendstrafrechts werden an dieser Stelle ausgeklammert. Darüber hinaus wird ausdrücklich empfohlen, einen im Strafrecht spezialisierten Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen, wenn Sie von einer strafrechtlichen Entscheidung betroffen sind, deren Überprüfung Sie erstreben. 

Die Rechtsanwaltskanzlei Kucera berät Sie in diesem Fall gern.

B) Beschwerde (§§ 304 ff. StPO )

I) Allgemeine Beschwerde

Bestimmte Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, wie Beschlüsse und Verfügungen, können mit der Beschwerde angefochten werden.

Besonders praxisrelevant sind z.B. Beschwerden gegen:

  • Haftbefehle
  • Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse
  • die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis


Die Möglichkeiten richterlicher Entscheidungen durch Beschluss sind vielfältig, sodass die Auflistung selbstverständlich nicht abschließend ist

Die Beschwerde ist grds. bei dem Gericht einzulegen, das die Entscheidung erlassen hat (sog. iudex a quo).

Soweit dieses Gericht nach der Prüfung der Auffassung ist, dass die Beschwerde begründet ist, kann es seine frühere Entscheidung aufheben bzw. abändern. Andernfalls legt es die Beschwerde dem nächst höheren Gericht (dem sog. Beschwerdegericht) zur Entscheidung vor. Das Gericht überprüft die angefochtene Entscheidung in tatsächlicher wie in rechtlicher Beziehung. Das bedeutet, dass das Gericht zum einen prüft, ob der Entscheidung die richtigen Tatsachen, d.h. der richtige Sachverhalt zugrunde gelegt und zum anderen, ob bei der Entscheidung die gesetzlichen Vorschriften korrekt auf den Sachverhalt angewendet wurden. Das Gericht entscheidet über die Beschwerde grds. ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. In Ausnahmefällen, wie z.B. bei Haftbeschwerden, kann auch nach mündlicher Verhandlung entschieden werden.

Die Beschwerde ist an keine Frist gebunden.

Durch die Einlegung einer Beschwerde wird der Vollzug der angefochtenen Entscheidung bis auf wenige im Gesetz geregelte Ausnahmen nicht gehemmt. Das bedeutet, dass z.B. bei einer Beschwerde gegen einen Haftbefehl der Beschuldigte nicht so lange aus der Haft entlassen wird, bis eine Entscheidung über die Beschwerde getroffen wird.

II) Sofortige Beschwerde

Eine besondere Form der Beschwerde ist die sog. sofortige Beschwerde, die in bestimmten, vom Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Fällen (z.B. beim Widerruf von Bewährungen), eingelegt werden kann. Die sofortige Beschwerde ist innerhalb einer Frist von einer Woche nach Bekanntgabe der anzufechtenden Entscheidung bei dem Gericht einzulegen, das die Entscheidung erlassen hat. Dieses Gericht ist anders als bei der allgemeinen Beschwerde grds. nicht befugt, seine eigene Entscheidung aufzuheben oder zu ändern, sondern muss die Beschwerde dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorlegen.

III) Weitere Beschwerde

Hat das Beschwerdegericht über die Beschwerde entschieden, ist diese Entscheidung nicht weiter angreifbar. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass eine einmalige gerichtliche Nachprüfung ausreichend ist. Nur in wenigen Ausnahmefällen, in denen die angefochtene Entscheidung besonders einschneidende Maßnahmen angeordnet hat, wie z.B. bei Verhaftungen, sieht das Gesetz eine sog. weitere Beschwerde vor.

C) Berufung (§§ 312 ff. StPO) 

Gegen Urteile des Amtsgerichts ist die Berufung statthaft. Sie ist binnen einer Frist von einer Woche nach Verkündung des Urteils bei dem Gericht einzulegen, das das Urteil erlassen hat (sog. iudex a quo). 

In bestimmten Fällen von Bagatellkriminalität ist die Berufung nur zulässig, wenn sie vom Berufungsgericht (Landgericht) angenommen wird. Dies geschieht nur, wenn die Berufung nicht offensichtlich unbegründet ist. In der Praxis spielt die sog. Annahmeberufung jedoch keine große Rolle.

Nachdem die Berufung über die Staatsanwaltschaft an das nächst höhere Gericht, dem Landgericht als Berufungsgericht, weitergeleitet wurde, überprüft dieses das Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht. Das Wesen der Berufung liegt darin, dass das Berufungsgericht aufgrund einer neuen Hauptverhandlung eine neue und eigene Entscheidung fällt. Es prüft nicht bloß das erstinstanzliche Urteil auf Rechtsfehler, sondern führt in einer neuen Hauptverhandlung eine neue Beweisaufnahme durch, die sich grundsätzlich nach denselben Regeln richtet wie die erstinstanzliche Hauptverhandlung. Das Gericht kann mithin z.B. sämtliche Zeugen, die schon in der ersten Instanz gehört wurden, noch einmal vernehmen. Das Berufungsgericht kann auch neue Beweise (z.B. neue Zeugen) und neue Tatsachen berücksichtigen. Das Berufungsgericht verschafft sich also einen eigenen Eindruck von der Sache und trifft eine eigene Entscheidung. Nur in Ausnahmefällen verweist das Berufungsgericht die Sache an ein anderes Gericht. Die Berufungsinstanz ist also gewissermaßen eine „zweite Erstinstanz“.

Durch die rechtzeitige Einlegung der Berufung wird die Rechtskraft des Urteils, soweit es angefochten ist, gehemmt. Das bedeutet, dass das Urteil während der Dauer des Rechtsmittelverfahrens nicht vollstreckt werden kann. Wird der sich auf freiem Fuß befindliche Angeklagte etwa zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, muss er diese während der Dauer des Rechtsmittelverfahrens nicht antreten.

Die im angefochtenen Urteil ausgesprochenen Rechtsfolgen (z.B. Freiheitsstrafe oder Geldstrafe) dürfen vom Berufungsgericht in Art und Höhe dann nicht verschlimmert, also etwa erhöht werden, wenn nur der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Berufung eingelegt hat (sog. Verschlechterungsverbot oder Verbot der reformatio in peius). Legt aber die Staatsanwaltschaft Berufung zum Nachteil des Angeklagten ein, etwa mit dem Ziel einer höheren Verurteilung, kann das Berufungsgericht diesem Antrag folgen und die Rechtsfolgen erhöhen. Eine Erhöhung etwa der Freiheits- oder Geldstrafe kann auch in der Konstellation erfolgen, dass sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Berufung einlegen. Ist z.B. einerseits dem Angeklagten die verhängte Strafe zu hoch oder hält er sich für unschuldig und erstrebt einen Freispruch und hält andererseits die Staatsanwaltschaft die verhängte Strafe noch für zu milde und legen sowohl Staatsanwaltschaft als auch Angeklagter Berufung ein, kann das Berufungsgericht die Strafe letztendlich auch erhöhen.

D) Revision (§§ 333 ff. StPO) 

Die Revision in Strafsachen ist strafrechtliches „Hochtrapez“ und gehört zu den schwierigsten Rechtsgebieten der Rechtswissenschaft überhaupt. Die Revision ist ein sehr eingeschränktes Rechtsmittel, mit dem nur eine Überprüfung des Urteils auf Rechtsfehler erreicht werden kann. Eine Neuverhandlung der Sache im Revisionsrechtszug ist ausgeschlossen. Gerade diese Abgrenzung zwischen Tat- und Rechtsfragen sowie die Tatsache, dass das Verfahren von strengen Formvorschriften geprägt ist, bereitet große Schwierigkeiten in der Praxis, weshalb die Revision in ihrem Wesen nicht nur dem Laien unzugänglich ist, sondern vielfach auch dem nicht spezialisierten Juristen. Erschwerend kommt hinzu, dass gerade in Fällen, in denen ein Urteil nur mit der Revision angreifbar ist, also bei schweren und schwersten Straftaten, die erstinstanzlich beim Landgericht verhandelt werden, nur das eine Rechtsmittel der Revision zur Verfügung steht, während bei vergleichsweise weniger schwerwiegenden Straftaten, die erstinstanzlich beim Amtsgericht verhandelt werden, eine zweite völlig neue Tatsachenverhandlung in der Berufungsinstanz erreicht werden kann und anschließend noch die Revision gegen das Berufungsurteil zur Verfügung steht. Es ist daher dringend zu empfehlen, sich bei Revisionen im Strafrecht frühzeitig durch einen Spezialisten, d.h. durch einen Fachanwalt für Strafrecht mit Erfahrung und Kompetenz im strafrechtlichen Revisionsrecht verteidigen zu lassen. 

Die Revision kann eingelegt werden gegen erstinstanzliche Urteile des Landgerichts und Oberlandesgerichts sowie gegen zweitinstanzliche Berufungsurteile des Landgerichts. Sie ist ferner zulässig gegen Urteile des Amtsgerichts durch Überspringen der Berufungsinstanz beim Landgericht (sog. Sprungrevision). Wird gegen erstinstanzliche Urteile des Landgerichts oder des Oberlandesgerichts Revision eingelegt, ist zuständiges Revisionsgericht der Bundesgerichtshof. Wird gegen ein Urteil des Amtsgerichts zunächst Berufung beim Landgericht eingelegt und wird sodann dieses Berufungsurteil mit der Revision angegriffen, ist Revisionsgericht das Oberlandesgericht. Gleiches gilt im Falle einer Sprungrevision gegen Urteile des Amtsgerichts.

Die Revision ist innerhalb einer Frist von einer Woche ab Urteilsverkündung bei dem Gericht einzulegen, das das Urteil erlassen hat (sog. iudex a quo). Zudem muss die Revision innerhalb einer weiteren Frist von einem Monat nach Ablauf der Einlegungsfrist bzw. Urteilszustellung begründet werden. Wichtig ist, dass die schriftliche Revisionsbegründung durch einen Strafverteidiger erfolgen muss.

Die Besonderheit der Revision liegt darin, dass sie nur eine erheblich eingeschränkte Überprüfungsmöglichkeit bietet. Anders als z.B. bei der Berufung, prüft das Revisionsgericht allein, ob das untere Gericht das Gesetz auf die von ihm festgestellten Tatsachen richtig angewendet hat. Der vom unteren Gericht festgestellte Sachverhalt hingegen wird als feststehend betrachtet. Es kommt demnach (anders als bei der Berufung) weder zu einer Wiederholung der Hauptverhandlung noch überhaupt zu einer Beweisaufnahme mit dem Ziel festzustellen, ob die vom unteren Gericht festgestellten Tatsache inhaltlich „richtig“ sind. Glaubt man daher z.B., dass eine Verurteilung auf der falschen Aussage eines Zeugen beruht, kann mit der Revision nicht erreicht werden, dass das Revisionsgericht den Zeugen in einer neuen Hauptverhandlung nochmals zum Tatvorwurf vernimmt und prüft, ob der Zeuge nun die Wahrheit sagt oder nicht. 

Das Revisionsgericht prüft demnach nur, ob das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruht. Ein Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist. Bei den Gesetzen wird im Kern zwischen den Verfahrensvorschriften und dem sog. sachlichen Recht unterschieden. Unter Verfahrensvorschriften sind solche zu verstehen, die bestimmen, auf welchem Wege der Richter zur Urteilsfindung gelangt. Solche sind für das Strafverfahren in erster Linie in der Strafprozessordnung (StPO), aber auch in anderen Gesetzen, wie u.a. dem Grundgesetz (GG) enthalten. So regelt die StPO, wie eine Straftat verfolgt wird, d.h. welche Maßnahmen zur Erforschung und Urteilsfindung zulässig sind. Verstöße gegen solche Verfahrensvorschriften können im Revisionsverfahren mit der sog. Verfahrensrüge angriffen werden. Mit der sog. Sachrüge kann hingegen geltend gemacht werden, dass bei der Anwendung des sachlichen Rechts auf den festgestellten Sachverhalt Fehler gemacht worden sind. Unter sachlichem Recht versteht man hierbei in erster Linie diejenigen Vorschriften, die festlegen, unter welchen Voraussetzungen sich eine Person strafbar macht. Solche Vorschriften sind in erster Linie im Strafgesetzbuch enthalten, aber auch in zahlreichen anderen Gesetzen des sog. Nebenstrafrechts (wie z.B. im Betäubungsmittelgesetz (BtMG), im Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder im Waffengesetz (WaffG)).

Ein Gesetzesverstoß kann beispielsweise vorliegen und mit der Revision angegriffen werden, wenn:

  • das Urteil vom sachlich unzuständigen Gericht erlassen wurde
  • das untere Gericht falsch besetzt war
  • Beweisanträge rechtsfehlerhaft abgelehnt worden sind
  • bei der Vernehmung des Angeklagten zur Sache die Belehrung über das Schweigerecht unterblieben ist
  • Beweisverwertungsverbote verletzt wurden
  • das Gericht die Voraussetzungen eines in Strafgesetzen (z.B. im Strafgesetzbuch) geregelten Straftatbestandes falsch anwendet
  • usw.


Die möglichen Gesetzesverstöße in einem Strafprozess sind vielfältig, sodass sie selbstverständlich nicht abschließend aufgezählt werden können. Gerade in der Aufspürung dieser Gesetzesverstöße liegt die besondere Schwierigkeit des Revisionsrechts und die „Kunst“ der Verteidigung. 

Erachtet das Revisionsgericht die Revision für unzulässig, weil sie z.B. zu spät eingelegt wurde, verwirft es die Revision ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. Erachtet es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet, ergeht die Entscheidung ebenfalls ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, wenn die Staatsanwaltschaft dies beantragt. Gleiches gilt im Falle einer zugunsten des Angeklagten eingelegten Revision, wenn das Revisionsgericht die Revision einstimmig für begründet erachtet. In allen anderen Fällen, die in der Praxis jedoch eher die Ausnahme sind, ergeht die Entscheidung nach Durchführung einer Hauptverhandlung durch Urteil. Eine solche Hauptverhandlung unterscheidet sich von einer Hauptverhandlung in der ersten Instanz oder auch in der Berufungsinstanz grundlegend. So ist z.B. der Angeklagte zum Erscheinen vor dem Revisionsgericht nicht verpflichtet. Zudem wird in der Hauptverhandlung nur über Rechtsfragen verhandelt, sodass ein Rechtsgespräch zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung im Vordergrund steht. Eine Beweisaufnahme über den Tatvorwurf selbst findet im Gegensatz zu den unteren Instanzen nicht mehr statt. 

Kann das Revisionsgericht nach der Prüfung keinen Rechtsfehler erkennen, wird die Revision als unbegründet verworfen. Soweit das Revisionsgericht die Revision für begründet erachtet, hebt es das angefochtene Urteil auf und verweist es in der Regel an die Vorinstanz zurück. Die Zurückverweisung erfolgt aber nicht mehr an die gleiche Abteilung, Kammer oder den gleichen Senat des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben worden ist, sondern an einen anderen Spruchkörper dieses Gerichtes oder an ein demselben Land zugehöriges Gericht gleicher Ordnung. Nur in gesetzlich geregelten Ausnahmefällen kann das Revisionsgericht selbst entscheiden. Ist das Revisionsgericht z.B. der Auffassung, dass der Angeklagte auf der Grundlage der von der Vorinstanz festgestellten Tatsachen unschuldig ist und auch eine neue Hauptverhandlung in der Vorinstanz nach einer etwaigen Zurückverweisung an diesem Ergebnis nichts zu ändern vermag, kann es das erstinstanzliche Urteil aufheben und den Angeklagten selbst freisprechen.

Wie im Berufungsverfahren (vgl. oben) gilt auch im Revisionsverfahren das Verbot der Verschlechterung (sog. Verbot der reformatio in peius). Die im angefochtenen Urteil ausgesprochenen Rechtsfolgen (z.B. Freiheitsstrafe oder Geldstrafe) dürfen auch hier in Art und Höhe dann nicht verschlimmert, also etwa erhöht werden, wenn nur der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Legt aber auch die Staatsanwaltschaft Revision zum Nachteil des Angeklagten ein, etwa mit dem Ziel einer höheren Verurteilung, können die Rechtsfolgen auch erhöht werden.

Wie bei der Berufung hemmt die rechtzeitige Einlegung der Revision die Rechtskraft des Urteils. Das bedeutet, dass ein Urteil nicht vollstreckt werden kann, solange das Rechtsmittelverfahren läuft.

E) Einspruch gegen Strafbefehl (§§ 410 ff. StPO) 

Für den unteren bis mittleren Bereich der Kriminalität sieht das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen mit dem Strafbefehlsverfahren eine beschleunigte und vereinfachte Verfahrenserledigung vor, die in der Praxis sehr oft vorkommt. Das Gericht kann auf entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer Hauptverhandlung einen sog. Strafbefehl erlassen, in dem u.a. die Straftat, die dem Angeklagten zur Last gelegt wird und die entsprechenden Rechtsfolgen (z.B. Geldstrafe) festgelegt werden. Ergeht ein solcher Strafbefehl und will man sich hiergegen wehren, kann innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung bei dem Gericht, das den Strafbefehl erlassen hat, ein Einspruch eingelegt werden. Hierdurch kann erreicht werden, dass das Gericht sodann eine gerichtliche Hauptverhandlung anberaumt. Diese findet nicht bei dem nächst höheren Gericht, sondern bei dem Gericht statt, das den Strafbefehl erlassen hat. In dieser Hauptverhandlung findet sodann eine „normale“ Hauptverhandlung statt, in der im Rahmen einer Beweisaufnahme z.B. auch alle Zeugen vernommen und Einwendungen gegen den Tatvorwurf vorgebracht werden können. Am Ende der Verhandlung kann das Gericht durch „normales“ Urteil über den Tatvorwurf entscheiden. Gegen dieses Urteil sind dann die allgemeinen Rechtsmittel (Berufung und Revision) möglich.

F) Wiederaufnahme des Verfahrens ( §§ 359 ff. StPO)

Die Wiederaufnahme des Verfahrens dient dazu, Strafverfahren, die mit einem rechtskräftigen Urteil (rechtskräftige Strafbefehle stehen dem gleich) abgeschlossen wurden, wiederaufzurollen, damit Justizirrtümer und Fehlurteile beseitigt werden können. Sind die Rechtsmittel gegen Urteile erschöpft, wird ein Urteil, sei es auch noch so falsch, rechtskräftig. Dies nimmt der Gesetzgeber im Interesse des verfassungsrechtlich verankerten Rechtsstaatsprinzips grds. hin. Nun gibt es aber Fälle, in denen erst nach Rechtskraft Umstände bekannt werden, die das Urteil in einer für das Gerechtigkeitsempfinden unerträglichen Weise als offensichtlich falsch erscheinen lassen. Der Grundgedanke der Wiederaufnahme ist es, in solchen Ausnahmefällen die Rechtskraft zu durchbrechen und damit das eigentlich abgeschlossene Strafverfahren in das Hauptverfahren zurückzuversetzen.

Die Wiederaufnahme ist nur in den gesetzlich abschließend geregelten Ausnahmefällen zulässig. Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen der Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten und der Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten.


Wiederaufnahmegründe bei Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten liegen danach vor:

  • wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Ungunsten als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht war;
  • wenn der Zeuge oder Sachverständige sich bei einem zuungunsten des Verurteilten abgelegten Zeugnis oder abgegebenen Gutachten einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht oder einer vorsätzlichen, falschen, uneidlichen Aussage schuldig gemacht hat;
  • wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf die Sache einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat, sofern die Verletzung nicht vom Verurteilten selbst veranlasst ist;
  • wenn ein zivilgerichtliches Urteil, auf welches das Strafurteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftig gewordenes Urteil aufgehoben ist;
  • wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die alleine oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen die Freisprechung des Angeklagten oder in Anwendung eines milderen Strafgesetzes eine geringere Bestrafung oder eine wesentlich andere Entscheidung über eine Maßregel der Besserung und Sicherung zu begründen geeignet sind;
  • wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.


Wiederaufnahmegründe bei Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten liegen vor:

  • wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Gunsten als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht war;
  • wenn der Zeuge oder Sachverständige sich bei einem zugunsten des Angeklagten abgelegten Zeugnis oder abgegebenen Gutachten einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht oder einer vorsätzlichen falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht hat;
  • wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf die Sache einer strafbaren Verletzung der Amtspflichten schuldig gemacht hat;
  • wenn von dem Freigesprochenen vor Gericht oder außergerichtlich ein glaubwürdiges Geständnis der Straftat abgelegt wird.


Die Wiederaufnahmegründe gelten auch bei Wiederaufnahmeverfahren gegen rechtskräftige Strafbefehle. Zusätzlich kann die Wiederaufnahme zuungunsten des Verurteilten aber auch dann betrieben werde, wenn sich unter bestimmten Voraussetzungen im Nachhinein herausstellt, dass die verurteilte Tat im Gegensatz zur Wertung durch das Ausgangsgericht nunmehr als sog. Verbrechen (besonders schwere Straftaten, für die der Gesetzgeber Freiheitsstrafen von mindestens einem Jahr oder mehr vorsieht) und nicht als sog. Vergehen (Straftaten, für die das Gesetz geringere Strafen vorsieht) zu beurteilen ist.

Eine Wiederaufnahme zu dem Zweck, eine andere Strafbemessung aufgrund desselben Strafgesetzes oder eine Milderung der Strafe wegen verminderter Schuldfähigkeit herbeizuführen, ist unzulässig.

Von den oben aufgeführten Wiederaufnahmegründen ist das Beibringen neuer entlastender Tatsachen und Beweismittel der in der Praxis wichtigste Wiederaufnahmegrund zugunsten des Verurteilten. Werden also z.B. nach der Verurteilung Zeugen bekannt, die den Verurteilten entlasten können - wie etwa beim Wiederauftauchen des angeblich Getöteten-, kann dies die Wiederaufnahme rechtfertigen.

Das Wiederaufnahmeverfahren wird durch einen formgebundenen Antrag eingeleitet, der die Wiederaufnahmegründe und die Beweismittel angeben muss. Vom Verurteilten kann der Antrag nur mit einem Strafverteidiger gestellt werden. Der Antrag selbst führt – anders als bei Berufung und Revision - noch nicht dazu, dass die Wirksamkeit, also die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils aufgeschoben wird.

Der Antrag ist gem. § 367 StPO zu richten an das nach § 140a GVG zuständige Gericht; das ist i.d.R. ein anderes Gericht mit gleicher sachlicher Zuständigkeit als das Gericht, gegen dessen Entscheidung sich der Wiederaufnahmeantrag richtet. Der Antrag kann aber auch bei dem Gericht eingereicht werden, dessen Urteil angefochten wird; dieses leitet den Antrag dann an das zuständige Gericht weiter.

Das zuständige Gericht nimmt sodann zunächst eine Zulässigkeitsprüfung (sog. Additionsverfahren) vor und prüft insbesondere, ob der Antrag die gesetzliche Form wahrt, ob er gesetzliche Wiederaufnahmegründe (vgl. oben) geltend macht und ob er geeignete Beweismittel anführt. Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, der entweder auf Verwerfung des Antrages als unzulässig oder auf dessen Zulassung lautet. Gegen die Entscheidung kann die jeweils „unterlegene“ Partei sog. sofortige Beschwerde (vgl. oben) einlegen.

Ist der Wiederaufnahmeantrag zulässig, hat ihn das Gericht dem Gegner (i.d.R. die Staatsanwaltschaft) zur Erklärung zuzustellen. 

Dann prüft das Gericht (im sog. Probationsverfahren), ob der Wiederaufnahmeantrag begründet ist, d.h. ob die Voraussetzungen der im Gesetz genannten Wiederaufnahmegründe auch tatsächlich vorliegen. Entscheidend ist dabei, ob die geltend gemachten Wiederaufnahmetatsachen „genügende Bestätigung“ gefunden haben. Das ist der Fall, wenn aufgrund der Beweisaufnahme ihre Richtigkeit hinreichend wahrscheinlich ist. Ein voller Beweis ist dagegen nicht erforderlich. Das Gericht beauftragt einen Richter mit der Beweisaufnahme, in der die vom Antragsteller angetretenen Beweise und Tatsachen auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden. Nach Schluss der Beweisaufnahme sind der Staatsanwaltschaft und der Angeklagte unter Bestimmung einer Frist zu weiterer Erklärung über das Ergebnis der Beweisaufnahme aufzufordern. 

Anschließend ergeht ohne mündliche Verhandlung ein Beschluss des Gerichtes. Lehnt es die Wiederaufnahmevoraussetzungen ab, verwirft es den Wiederaufnahmeantrag. Hiergegen kann der Antragsteller sofortige Beschwerde (vgl. oben) einlegen. Bejaht das Gericht die Begründetheit, ordnet es i.d.R. die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung an. In gesetzlich bestimmten Ausnahmefällen kann das Gericht auch ohne eine neue Hauptverhandlung (durch Beschluss) entscheiden, nämlich etwa dann, wenn aufgrund entsprechend eindeutiger Beweislage (und i.d.R. bei Zustimmung der Staatsanwaltschaft) nur ein Freispruch in Betracht kommt oder wenn bei einem verstorbenen Verurteilten (das Wiederaufnahmeverfahren zugunsten des Verurteilten wird durch dessen Tod nicht ausgeschlossen) ein Freispruch in Betracht kommt. Der Beschluss mit dem die Wiederaufnahme und die Erneuerung der Hauptverhandlung angeordnet wird, kann von der Staatsanwaltschaft nicht mehr angefochten werden und hat weitreichende Bedeutung, da er die Rechtskraft und vor allem die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils beseitigt. Er versetzt das Verfahren also in den Zustand zurück, in dem es sich vor dem Urteil befunden hat. Die Vollstreckung muss demnach sofort beendet werden.

In der neuen Hauptverhandlung hat das Gericht (das dasselbe ist wie im Wiederaufnahmeverfahren) neu und selbständig über den Anklagevorwurf zu entscheiden, so, als wenn zuvor niemals ein Urteil ergangen wäre. Insbesondere muss die gesamte Beweisaufnahme vollständig durchgeführt, d.h. also etwa Zeugen vernommen werden. Die neue Verhandlung kann, wie jede andere „normale“ Hauptverhandlung, mit Verurteilung oder Freispruch (oder auch Einstellung) enden. Aber auch im Wiederaufnahmeverfahren gilt (wie bei Revision und Berufung) das sog. Verschlechterungsverbot (auch Verbot der reformatio in peius genannt), sodass das frühere Urteil in Art und Höhe der Rechtsfolgen nicht zum Nachteil des Verurteilten geändert werden, wenn das Wiederaufnahmeverfahren zu seinen Gunsten beantragt wurde. Wird der Verurteilte frei gesprochen, muss das bisherige Urteil aufgehoben werden. 

Ergeht nach der neuen Hauptverhandlung ein Urteil, kann dieses, von der jeweils „unterlegenen“ Partei, mit den allgemeinen Rechtsmitteln (Berufung/Revision) angefochten werden.

G) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 44 ff. StPO)

Für Strafverfahren sieht der Gesetzgeber zahlreiche Fristen vor, in denen die Verfahrensbeteiligten z.B. Prozesshandlungen vornehmen müssen, damit sie zulässig sind. Solche Fristen können aus vielfältigen Gründen versäumt werden. In solchen Fällen kann unter bestimmten Voraussetzungen der Rechtsbehelf der sog. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand weiterhelfen. In der Praxis besonders relevant ist dieser Rechtsbehelf bei Versäumung von Rechtsmittelfristen bei Berufung und Revision. 

Wird Wiedereinsetzung gewährt, wird das Verfahren in den Zustand versetzt, der bestanden hätte, wenn die Frist nicht versäumt worden wäre. Eine schon eingetretene Rechtskraft fällt ebenso weg, wie ein ergangenes Urteil. Hat also z.B. ein Angeklagter unverschuldet versäumt, gegen ein Urteil Berufung oder Revision einzulegen und beantragt er erfolgreich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, so kann anschließend das Berufungs- bzw. Revisionsverfahren „ganz normal“ durchgeführt werden, so, als wäre die Frist nicht versäumt worden.

Das Widereinsetzungsverfahren führt nur zum Erfolg, wenn der Betroffene ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Das ist schon dann der Fall, wenn das Gericht den Betroffenen nicht über Rechtsmittelfristen belehrt hat. Im Übrigen fehlt es an einem Verschulden, wenn bei Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse des Einzelfalles der Vorwurf schuldhafter Pflichtverletzung ausgeschlossen werden kann. So etwa bei einem Unfall, einer Erkrankung oder bei bestimmten Naturereignissen (z.B. starke Schneefälle oder Erdbeben). Kann eine Frist z.B. wegen einer vorübergehenden Urlaubsabwesenheit nicht eingehalten werden, kann ein Fristversäumnis dann unverschuldet sein, wenn der Betroffene nicht mit gerichtlichen Maßnahmen zu rechnen brauchte. Auch Verzögerungen bei der Postzustellung, die nicht im Verantwortungsbereich des Betroffenen liegen, sind ihm daher nicht anzulasten. Wird also ein Brief so bei der Post aufgegeben, dass unter Zugrundelegung der gewöhnlichen Postlaufzeit mit einem fristgerechten Zugang beim Gericht zu rechnen ist und kommt es dann infolge eines Verschuldens der Post zu Verzögerungen, kann dem Betroffenen Wiedereinsetzung gewährt werden. Ein etwaiges Verschulden des Strafverteidigers und dessen Personals, das zum Fristversäumnis führt, ist dem Angeklagten i.d.R. nicht zuzurechnen.

Das Wiedereinsetzungsverfahren ist i.d.R. durch einen Antrag einzuleiten und zwar bei dem Gericht, bei welchem die (versäumte) Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Der Antrag muss innerhalb einer Frist von einer Woche nach Wegfall des Hindernisses eingelegt werden. Ist z.B. eine noch vor Fristablauf eingereichte Revisionsschrift verspätet bei Gericht eingegangen, beginnt die Wiedereinsetzungsfrist also erst, wenn der Betroffene von der Verspätung Kenntnis erlangt. Soweit das Gericht nicht einen Aufschub der Vollstreckung anordnet, hemmt der Wiedereinsetzungsantrag die Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung noch nicht. Die Tatsachen, die den Antrag begründen sollen, sind im Antrag oder im Verfahren glaubhaft zu machen. Das kann z.B. durch Benennung von Zeugen oder auch durch sog. eidesstattliche Versicherung geschehen. Die Wiedereinsetzungsgründe brauchen nicht voll bewiesen werden und zur vollen Überzeugung des Gerichts festzustehen. Es genügt, dass sie wahrscheinlich sind. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung (etwa die Einlegung der Berufung) nachzuholen.

Über den Antrag entscheidet das Gericht, das zuständig gewesen wäre, wenn die Frist nicht versäumt worden wäre, also z.B. bei der Versäumung einer Rechtsmittelfrist das Rechtsmittelgericht oder das Amtsgericht bei Versäumung der Einspruchsfrist gegen einen Strafbefehl.

Die Entscheidung des Gerichts darüber, ob Wiedereinsetzung gewährt wird oder nicht, ergeht durch Beschluss. Wird Wiedereinsetzung gewährt, kann der entsprechende Beschluss nicht mehr angefochten werden. Gegen eine die Wiedereinsetzung ablehnende Entscheidung kann binnen einer Frist von einer Woche die sog. sofortige Beschwerde (vgl. oben) eingelegt werden.

H) Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG ; §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG)

Sind alle Möglichkeiten fehlgeschlagen, sich gegen strafrechtliche Entscheidungen vor den strafrechtlichen Fachgerichten (also den Amts-, Land- und Oberlandesgerichten sowie dem Bundesgerichtshof) zu wehren, ist die Verfassungsbeschwerde die letzte Möglichkeit, Grundrechtsschutz vor dem höchsten deutschen Gericht, dem Bundesverfassungsgericht zu erlangen. 

Zu erheben und zu begründen ist die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung oder Bekanntgabe der anzufechtenden Entscheidung.

Die Verfassungsbeschwerde hat eine begrenzte Funktion. Sie ist kein zusätzlicher Rechtsbehelf, der dazu führt, dass die Angelegenheit erneut vollständig auf deren „Richtigkeit“ hin geprüft wird. Die Prüfung des Bundesverfassungsgerichts beschränkt sich vielmehr darauf, ob die Entscheidung der Fachgerichte ein im Grundgesetz (GG) geregeltes Grundrecht oder ein in Art. 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 oder 104 GG geregeltes grundrechtsgleiches Recht des Beschwerdeführers verletzt. Die Gestaltung des gerichtlichen Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung der Gesetze und ihre Anwendung auf den Einzelfall ist aber der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen.

Die (weiteren) Voraussetzungen und das Verfahren der Verfassungsbeschwerde sind außerhalb des Strafrechts im Grundgesetz (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG) und im Bundesverfassungsgerichtsgesetz (§§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG) geregelt.


Christian Kucera
Rechtsanwalt & Fachanwalt für Strafrecht

Über den Autor

Grüße aus Dortmund! Mein Name ist Christian Kucera und ich bin Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht sowie Ex-Staatsanwalt. Seit über 23 Jahren bin ich in Dortmund und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

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Hand mit Stempel
von Rechtsanwalt Christian Kucera 28 Juni, 2023
Nicht selten entnimmt man den Medien, dass von der Öffentlichkeit stark beachtete Strafverfahren, wie beispielsweise das seinerzeitige „Mannesmann-Verfahren“ gegen Verhängung einer Geldauflage eingestellt werden. Dies führt in der Öffentlichkeit nicht selten zu heftiger Kritik. „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“ – so der Eindruck vieler. Verfolgt man die öffentliche Diskussion fällt auf, dass vielfach Unkenntnis über die rechtlichen Grundlagen der erfolgten Einstellung des Mannesmann-Prozesses herrscht, was zum Teil zu einer undifferenzierten und überzogenen Kritik führt. Im Folgenden sollen daher die wesentlichen rechtlichen Grundlagen für eine Einstellung eines Strafverfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage skizziert werden. Grundlage der Einstellung war § 153a der Strafprozessordnung (StPO). Der Gesetzgeber führte die Vorschrift 1974 zur Entlastung der Justiz im Bereich der kleineren und mittleren Kriminalität ein. Der Anwendungsbereich wurde seitdem ständig erweitert. Heute gehört die Vorschrift zum Praxisalltag. 2004 sind von deutschen Staatsanwaltschaften rund 250.000 Ermittlungsverfahren und allein von deutschen Amtsgerichten rund 67.000 Gerichtsverfahren nach § 153 a StPO eingestellt worden. Studien haben bislang keine direkten Hinweise auf eine Privilegierung begüterter Beschuldigte insbesondere in den komplizierten Wirtschafts- und Steuerstrafverfahren ergeben. § 153a StPO gelangt nur bei rechtswidrigen Taten zur Anwendung, die nach dem Gesetz im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe unter einem Jahr oder mit Geldstrafe bedroht sind (Vergehen). Zudem darf die Schwere der Schuld des Beschuldigten einer Einstellung nicht entgegenstehen. Es darf sich höchstens um eine Schuld im mittleren Bereich handeln. Das Gesetz verlangt dabei nur eine hypothetische Schuldbeurteilung, weil zum Zeitpunkt der Einstellung das Strafverfahren noch nicht vollständig durchgeführt worden ist. Das Maß der Schuld hängt u.a. von der Art der Tatausführung, den verschuldeten Auswirkungen der Tat, dem Maß der Pflichtwidrigkeit, aber auch von personalen Faktoren des Beschuldigten vor und nach der Tat ab. Eine Einstellung erfolgt nur gegen Erteilung von Auflagen und Weisungen, welche besondere nicht strafrechtliche Sanktionen darstellen und in § 153a Abs. 1 Satz 2 StPO beispielhaft aufgeführt sind. Die Geldauflage zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse kommt in der Praxis besonders häufig vor. Die Auflagen bzw. Weisungen müssen schließlich geeignet sein, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen. Dieses orientiert sich an dem Sinn und Zweck staatlichen Strafens, zu denen u.a. Schuldausgleich, Prävention, Resozialisierung sowie Sühne und Vergeltung für begangenes Unrecht zählen. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien hat die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht im Rahmen eines relativ weiten Beurteilungsspielraumes zu entscheiden, ob eine Fortsetzung des Verfahrens notwendig erscheint. Sind die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt, kann das Verfahren vor Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft und nach Anklageerhebung durch das zuständige Gericht vorläufig eingestellt werden. Gericht, Staatsanwaltschaft und der Beschuldigte müssen jeweils zustimmen. In Fällen geringfügiger Vergehen kann bei einer Einstellung vor Anklageerhebung unter bestimmten Voraussetzungen die Zustimmung des Gerichts entbehrlich sein. Für die Erfüllung der Auflagen bzw. Weisungen werden Fristen gesetzt. Werden die Auflagen erfüllt, wird das Verfahren dann endgültig eingestellt. Die Tat kann dann nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Besonders praxisbedeutsam ist, dass die Beschuldigten bei einer Einstellung nach § 153a StPO als nicht vorbestraft gelten und eine Eintragung in das sog. polizeiliche Führungszeugnis unterbleibt. Sie haben Fragen zu diesem Thema?
Hände zu Fäusten geballt mit angelegten Handschellen
von Rechtsanwalt Christian Kucera 28 Juni, 2023
In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Ratsuchende völlig aufgelöst in der Kanzlei anrufen und „ganz dringend“ einen Besprechungstermin benötigen. Was ist passiert? Die Ratsuchenden haben von der Staatsanwaltschaft eine Strafantrittsladung erhalten, mit der sie aufgefordert werden, sich zur Vollstreckung einer Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe innerhalb einer gewissen Frist oder zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) einzufinden. Dies ist natürlich für die meisten Personen und deren Umfeld eine dramatische Situation, denn im Falle einer Inhaftierung wird man aus seinem bisherigen Leben herausgerissen. Die familiären, sozialen und beruflichen Folgen sind oft gravierend.
Foto von einem Führungszeugnis Dokument
von Rechtsanwalt Christian Kucera 28 Juni, 2023
Strafgerichtliche Verurteilungen haben nicht nur Geld- oder Freiheitsstrafen zur Folge. Vor Antritt einer neuen Arbeit oder wenn man beruflich, ehrenamtlich oder auf sonstige Weise eine Tätigkeit ausüben will, bei der man Kontakt zu Minderjährigen hat, kann ein Führungszeugnis verlangt werden. Enthält dieses Hinweise auf strafgerichtliche Verurteilungen, ist man also vorbestraft, kann das für die erstrebten Tätigkeiten oft das Aus bedeuten.
Rechtsanwalt und Mandat geben sich die Hände
von Rechtsanwalt Christian Kucera 28 Juni, 2023
Der sog. „Täter-Opfer-Ausgleich“ (TOA) stellt eine Möglichkeit zur außergerichtlichen Konfliktschlichtung dar. Er soll das Interesse von Tatopfern an Schadenkompensation verwirklichen und dem (mutmaßlichen) Täter sollen die Folgen seines Handelns klargemacht und seine Bereitschaft gefördert werden, hierfür Verantwortung zu übernehmen. Der TOA dient also im Wesentlichen der Aufarbeitung der Straftat, der Befriedung des Konfliktes und der Aushandlung der Wiedergutmachung und ist in vielfältigen Formen durchführbar. Gesetzliche Regelungen zum TOA finden sich insbes. in den §§ 46 und 46a des Strafgesetzbuches (StGB), sowie den §§ 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 und 155a Strafprozessordnung (StPO) sowie in §§ 45 Abs. 2 Satz 2, 47 Abs. 1 und 10 Abs. 1 Nr. 7 Jugendgerichtsgesetz (JGG). Der TOA ist nicht auf bestimmte, etwa leichtere Straftaten oder Bagatellfälle begrenzt. Er kommt auch im mittleren Kriminalitätsbereich und auch bei schwerer Straftat in Betracht. In der Praxis spielt der TOA u.a. bei Körperverletzungs- , Eigentums- und Vermögensdelikten (z.B. Diebstahl, Betrug), aber auch bei Raub- , Erpressung- oder bei Sexualdelikten eine bedeutende Rolle. Von besonderer Bedeutung für Beschuldigte in Strafverfahren ist, dass bei Durchführung oder auch bei ernsthaftem Erstreben eines TOA u.U. eine deutliche Strafmilderung und in bestimmten – eher weniger schwerwiegenden - Fällen sogar eine Einstellung des Verfahrens oder ein Absehen von Strafe erreicht werden kann. In der Praxis entscheidet – bei schwereren Tatvorwürfen – die Durchführung oder zumindest das ernsthafte Erstreben eines TOA nicht selten über die Frage, ob überhaupt noch eine Freiheitsstrafe zur Bewährung erreicht werden kann oder ob ein Verurteilter eine Haftstrafe im Gefängnis verbüßen muss. Ist an den Tatvorwürfen „etwas dran“, empfiehlt es sich in vielen Fällen, möglichst frühzeitig einen TOA durchzuführen oder dies zumindest ernsthaft zu versuchen. Um als Beschuldigter in den Genuss der oben genannten Rechtsvorteile, wie insbesondere einer deutlichen Strafmilderung zu kommen, verlangt die Rechtsprechung aber umfassende Ausgleichsbemühungen und einen sog. „ kommunikativen Prozess “ zwischen Täter und Opfer. Das Verhalten des Täters muss hiernach „ Ausdruck der Übernahme von Verantwortung “ sein und „ friedensstiftende Wirkung “ haben. Hierfür ist i.d.R. u.a. ein Geständnis , das Bekennen zur Schuld und das Respektieren der Opferposition der geschädigten Person, eine Entschuldigung und die Zahlung einer Entschädigung , oft in Form eines Schmerzensgeldes erforderlich. Wie genau ein TOA durchgeführt wird, hängt vom Einzelfall und von auch der Frage ab, in welchem Stadium des Strafverfahrens man sich befindet. Die Initiative für einen TOA können u.a. die Staatsanwaltschaft oder manchmal auch das Gericht, aber auch Täter und Opfer selbst ergreifen. Durchführen tut den TOA dann häufig eine TOA-Stelle, wie z.B. die sog. Gerichtshilfe oder ein anderer sozialer Dienst der Justiz, vielfach auch freie Träger (spezielle meist als Verein organisierte Einrichtungen, Opferhilfevereine usw.) oder im Jugendbereich die Jugendgerichtshilfe oder andere Stellen des Jugendamtes. In der Praxis wird der TOA auch häufig durch den Rechtsanwalt und Verteidiger des Beschuldigten durchgeführt. In geeigneten Fällen nimmt der Verteidiger dann mit dem Geschädigten bzw. dessen anwaltlicher Vertretung außergerichtlich Kontakt zwecks Durchführung eines TOA auf. Die Frage, ob ein TOA im Einzelfall in Betracht kommt und durchgeführt werden oder zumindest erstrebt werden sollte, vor allem auch die Frage, ob man selbst die Initiative für einen TOA ergreifen sollte, ist vielfach schwer zu beantworten. Das gilt auch für die Frage, wie genau und wann ein TOA durchgeführt oder ernsthaft versucht werden sollte. Insbesondere bei schwereren Tatvorwürfen, bei denen ein TOA ggf. über Haft oder Bewährungsstrafe entscheiden kann, sollte der Rat eines erfahrenen Strafverteidigers eingeholt werden! Rechtsanwalt Kucera berät Sie in Ihrem Fall hierzu gerne.

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