Pflichtverteidiger – Die Pflichtverteidigung im Strafverfahren

Nov. 16, 2023

Notwendige Verteidigung

Pflichtverteidiger*  – Die Pflichtverteidigung im Strafverfahren 

Von Rechtsanwalt & Fachanwalt für Strafrecht Christian Kucera, 12.11.2023

Sie suchen einen Pflichtverteidiger? Dann ist es meistens „ernst“ oder schwierig. 
Erfahren Sie hier mehr zum Wesen sowie zu den Voraussetzungen einer Pflichtverteidigung und worauf Sie achten sollten.

Unterschied zwischen Wahlverteidiger und Pflichtverteidiger

Jeder Beschuldigte hat in einem Strafverfahren das Recht, sich durch einen oder mehrere Verteidiger verteidigen zu lassen. In der Regel wählen Beschuldigte sich ihren Rechtsbeistand selbst aus, beauftragen und bezahlen diesen auch selbst. Das ist dann der sog. Wahlverteidiger.

In bestimmten schwerwiegenderen Strafverfahren verlangt das Gesetz, dass ein Beschuldigter einen Verteidiger hat. Hat dieser selbst noch keinen Wahlverteidiger beauftragt, bestellt das Gericht einen sog. Pflichtverteidiger.

Die Regelungen über die sog. Pflichtverteidigung – die im Gesetz als „notwendige Verteidigung“ bezeichnet wird - stellen sich nach dem Bundesverfassungsgericht

„als Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips in seiner Ausgestaltung als Gebot fairer Verfahrensführung dar“.

Quelle: BVerfG, Beschl. v
. 05.10.2020 – 2 BvR 554/20

Der Pflichtverteidiger ist unabhängig vom Staat

Der Pflichtverteidiger wird unter bestimmten Voraussetzungen dem Beschuldigten zwar vom Gericht bestellt und von der Staatskasse bezahlt. Er ist auch zur Übernahme der Pflichtverteidigung verpflichtet und kann nur aus wichtigen Gründen von seinen Pflichten entbunden werden. Er ist aber vom Staat unabhängig und arbeitet nicht für diesen. Er hat dieselben Aufgaben und Pflichten wie ein „normaler“ Wahlverteidiger. Der Rechtsanwalt, der eine Pflichtverteidigung übernimmt, ist ebenso wie ein Wahlverteidiger nach dem Gesetz ein unabhängiges Organ der Rechtspflege. 

Pflichtverteidigung ist keine Verteidigung „zweiter Klasse“

Die Pflichtverteidigung ist auch keine Verteidigung „zweiter Klasse“, wie dies manchmal – suggeriert durch gewisse Spielfilme – in der Allgemeinheit so gesagt wird. Jeder gute und verantwortungsbewusste Verteidiger, der eine Pflichtverteidigung übernimmt, wird seine Funktion im Dienste seines Mandanten nach besten Kräften und engagiert ausüben. Liegen die Voraussetzungen für eine Pflichtverteidigung vor, sollte man aber das Recht nutzen, sich einen Pflichtverteidiger selbst auszusuchen. Auch hier gilt der der Grundsatz: „Verteidigung ist Vertrauenssache“

Voraussetzungen der Pflichtverteidigung

In bestimmten schwerwiegenderen Strafverfahren - also immer dann, wenn es „ernst“ oder „schwierig“ wird - verlangt das Gesetz, dass ein Beschuldigter einen Strafverteidiger an seiner Seite hat. Hat der Beschuldigte einen solchen nicht schon von sich aus beauftragt, bestellt ihm das Gericht einen Pflichtverteidiger.

Auf die Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Beschuldigten kommt es – anders als im Zivilrecht bei der Prozesskostenhilfe (sog. „PKH“) – dabei nicht an! Die Pflichtverteidigung hat also nichts mit „Armenrecht“ zu tun.

In der Praxis kommt eine Pflichtverteidigung beispielsweise in folgenden Fällen in Betracht: 

  • Bei Verdacht schwerer Straftaten, wie beispielswiese Tötungsdelikten usw.
  • Wenn schwere Rechtsfolgen drohen, also beispielsweise eine Freiheitsstrafe ab etwa 1 Jahr, eine Einweisung in den Maßregelvollzug oder der Bewährungswiderruf in einer „alten“ Strafsache.
  • Wenn die Sach- und Rechtslage schwierig ist.
  • Wenn der Beschuldigte unfähig ist, sich selbst zu verteidigen, was beispielsweise unter bestimmten Voraussetzungen bei Jugendlichen, Ausländern oder unter Betreuung stehenden Personen der Fall sein kann. Aber auch aus Gründen der „Waffengleichheit“ kann ein solcher Fall vorliegen, wenn beispielsweise bestimmte Tatopfer oder auch Mitbeschuldigte anwaltlichen Beistand haben.
  • Wenn eine gerichtliche Hauptverhandlung in der ersten Instanz vor einem Oberlandesgericht, einem Landgericht oder Schöffengericht stattfindet.
  • Wenn dem Beschuldigten ein sog. Verbrechen zur Last gelegt wird, also etwa Mord, Raub, Vergewaltigung o.ä.
  • Bei Vorführung vor einen Haftrichter, der über Untersuchungshaft oder einstweilige Unterbringung im Maßregelvollzug entscheidet.

Kosten der Pflichtverteidigung

Der Pflichtverteidiger erhält seine Vergütung von der Staatskasse.

Eine Pflichtverteidigung ist aber in der Regel für Beschuldigte nicht „umsonst“, denn die Kosten für einen Pflichtverteidiger gehören zu den Verfahrenskosten, die im Falle einer Verurteilung in der Regel vom Verurteilten zu tragen sind. Der Staat verlangt die gezahlten Pflichtverteidigerkosten also vom Verurteilten in der Regel zurück. In gewisser Weise „schießt“ also der Staat die Kosten für den Pflichtverteidiger nur vor.

Im Falle eines Freispruchs trägt aber die Staatskasse die Kosten und der Freigesprochene muss nichts an den Staat zahlen.

Da die Pflichtverteidigervergütung in der Regel schon deutlich geringer ist als die Wahlverteidigervergütung, können Mandant und Anwalt eine in der Praxis durchaus übliche Zusatzvergütung vereinbaren.

Muss man einen Pflichtverteidiger beantragen?

Liegt ein Fall notwendiger Verteidigung vor und hat ein Beschuldigter noch keinen Verteidiger muss grundsätzlich beim Gericht ein Antrag auf Bestellung eines Pflichtverteidigers gestellt werden, worüber der Beschuldigte auch belehrt werden muss.

In vielen Fällen ist aber abweichend von diesem Grundsatz kein Antrag erforderlich und das Gericht bestellt einen Pflichtverteidiger von Amts wegen, etwa bei Vorführung vor den Haftrichter oder bei Zustellung einer Anklageschrift.

In solchen Fällen ist dem Beschuldigten aber grundsätzlich vorher Gelegenheit zu geben, sich selbst einen Pflichtverteidiger auszusuchen und dem Gericht zu benennen, Diesen Wunsch wird das Gericht in der Regel auch akzeptieren. Werden Sie also vom Gericht oder den Ermittlungsbehörden belehrt, dass eine notwendige Verteidigung vorliegt und aufgefordert einen Pflichtverteidiger zu benennen, sollten Sie dieses Recht unbedingt nutzen, und sich einen „Verteidiger Ihres Vertrauens“ selbst suchen!

Auch in Fällen, in denen das Gericht eigentlich „automatisch“ einen Pflichtverteidiger bestellen soll, unterbleibt dies in der Praxis aber manchmal, etwa, weil dem Gericht nicht alle Umstände, die eine Pflichtverteidigung begründen, bekannt oder bewusst sind. Auch dann sollte ein Antrag beim Gericht auf Bestellung eines Pflichtverteidigers gestellt werden.

Es ist ratsam, sich bei einem erfahrenen Strafverteidiger darüber beraten zu lassen, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen einer Pflichtverteidigung vorliegen und was im Einzelfall zu tun ist. Der juristische Laie ist hier aufgrund der komplexen gesetzlichen Regelungen schnell überfordert.

Kann man einen Pflichtverteidiger wechseln?

Ist man mit seinem Pflichtverteidiger nicht zufrieden, kann man sich natürlich jederzeit einen Wahlverteidiger aussuchen und diesen beauftragen. Den muss man dann natürlich auch selbst bezahlen. Hat der Wahlverteidiger das Mandat angenommen und dem Gericht dies mitgeteilt, hebt das Gericht in der Regel die Bestellung des bisherigen Pflichtverteidigers auf und man wird fortan von dem Wahlverteidiger vertreten. Dessen Kosten trägt dann aber nicht der Staat, sondern der Beschuldigte selbst. 

Will man hingegen erreichen, dass der bisherige Pflichtverteidiger durch einen anderen Pflichtverteidiger „ausgetauscht“ wird, ist das nur in bestimmten Ausnahmefällen möglich. Es muss ein wichtiger Grund hierfür vorliegen, beispielsweise wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Pflichtverteidiger und Mandant endgültig zerstört ist. Hier bestehen aber hohe Anforderungen an die Begründung und den Nachweis dieses Auswechselungsgrundes.

Wie lange dauert die Pflichtverteidigung?

Die Bestellung des Pflichtverteidigers endet in der Regel mit einer etwaigen Verfahrenseinstellung oder dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens. Sie gilt also in der Regel für das gesamte Strafverfahren.

Fazit – Pflichtverteidiger unbedingt selbst aussuchen!

Die Pflichtverteidigung ist ein rechtsstaatlich gebotenes und sinnvolles Instrument, das gewährleistet, dass Beschuldigte in schwerwiegenderen Strafverfahren ohne Rücksicht auf ihre Einkommens- und Vermögensinteressen rechtskundigen Beistand erhalten.

Sie sollten aber unbedingt Ihr Recht wahrnehmen, sich Ihren Pflichtverteidiger selbst auszuwählen!

* Zur besseren Lesbarkeit wird im Text das generische Maskulinum verwendet. Gemeint sind jedoch immer alle Geschlechter

Über den Autor

Grüße aus Dortmund! Mein Name ist Christian Kucera und ich bin Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht sowie Ex-Staatsanwalt. Seit über 23 Jahren bin ich in Dortmund und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

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In der täglichen Praxis als Strafverteidiger erlebt man es immer wieder, dass die um Rat suchenden Mandanten, gegen die erstmals ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist, oftmals nicht wissen, was auf sie zukommt und wie im Einzelnen das Verfahren abläuft. Diese Personen bekommen von der Polizei Vernehmungsbögen oder Vorladungen zu Beschuldigtenvernehmungen, erhalten Anklageschriften von der Staatsanwaltschaft oder Strafbefehle vom Gericht oder werden von einem Gericht zu einer Hauptverhandlung geladen. Hat man mit Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten noch keinerlei Erfahrungen gemacht und wird man einer Straftat beschuldigt, ist die Verwirrung und Angst oft groß. Es besteht Ungewissheit darüber, mit wem man es in den einzelnen Verfahrensabschnitten zu tun hat, was mit einem denn eigentlich "geschieht" und was die einzelnen Institutionen für Aufgaben und Rechte haben. Im Folgenden wird Ihnen daher ein kurzer Überblick gegeben über die Aufgaben, die Bedeutung und den Ablauf eines Strafverfahrens.
Buchstabenwürfel bilden das Wort
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Im Folgenden wird ein Überblick gegeben über die wesentlichen und in der Praxis bedeutsamsten Möglichkeiten der Anfechtung strafrichterlicher Entscheidungen. Will man sich gegen die Entscheidung eines Gerichts im Strafverfahren wehren, sieht das Gesetz folgende sog. „ordentlichen Rechtsbehelfe“ vor: Sog. Rechtsmittel: Beschwerde, Berufung und Revision Einspruch gegen einen Strafbefehl Daneben gibt es noch die sog. „außerordentlichen Rechtsbehelfe“. Zu denen gehören: Wiederaufnahme des Verfahrens Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Verfassungsbeschwerde Neben all diesen Rechtsbehelfen kommen u.U. weitere Rechtsbehelfe, wie z.B. Gegenvorstellungen oder Dienstaufsichtsbeschwerden in Betracht, die jedoch außerhalb der Verfahrensordnung stehen und auf den Verfahrensablauf keinen unmittelbaren Einfluss haben und daher in der Praxis auch eine untergeordnete Rolle spielen. Auch die Menschenrechtsbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ist ein Rechtsbehelf, der in der Praxis eher eine Ausnahmerolle einnimmt. Über die Möglichkeiten, Erfolgsaussichten und Zweckmäßigkeit solcher Rechtsbehelfe informiert Sie die Anwaltskanzlei Kucera bei Bedarf jedoch gerne im Rahmen eines individuellen Beratungsgesprächs. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf die in der Praxis bedeutsamsten und gesetzlich geregelten Rechtsbehelfe. Hierbei wird für den Ratsuchenden ein erster Überblick über das Wesen und die wesentlichen Voraussetzungen der Rechtsbehelfe gegeben. Besonderheiten für den Bereich des Jugendstrafrechts werden an dieser Stelle ausgeklammert. Darüber hinaus wird ausdrücklich empfohlen, einen im Strafrecht spezialisierten Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen, wenn Sie von einer strafrechtlichen Entscheidung betroffen sind, deren Überprüfung Sie erstreben. Die Rechtsanwaltskanzlei Kucera berät Sie in diesem Fall gern.
Paragraph-Symbol mit Geldscheinen
von Rechtsanwalt Christian Kucera 28 Juni, 2023
Die Kosten einer Strafverteidigung richten sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) oder nach einer Vergütungsvereinbarung.
Hand mit Stempel
von Rechtsanwalt Christian Kucera 28 Juni, 2023
Nicht selten entnimmt man den Medien, dass von der Öffentlichkeit stark beachtete Strafverfahren, wie beispielsweise das seinerzeitige „Mannesmann-Verfahren“ gegen Verhängung einer Geldauflage eingestellt werden. Dies führt in der Öffentlichkeit nicht selten zu heftiger Kritik. „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“ – so der Eindruck vieler. Verfolgt man die öffentliche Diskussion fällt auf, dass vielfach Unkenntnis über die rechtlichen Grundlagen der erfolgten Einstellung des Mannesmann-Prozesses herrscht, was zum Teil zu einer undifferenzierten und überzogenen Kritik führt. Im Folgenden sollen daher die wesentlichen rechtlichen Grundlagen für eine Einstellung eines Strafverfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage skizziert werden. Grundlage der Einstellung war § 153a der Strafprozessordnung (StPO). Der Gesetzgeber führte die Vorschrift 1974 zur Entlastung der Justiz im Bereich der kleineren und mittleren Kriminalität ein. Der Anwendungsbereich wurde seitdem ständig erweitert. Heute gehört die Vorschrift zum Praxisalltag. 2004 sind von deutschen Staatsanwaltschaften rund 250.000 Ermittlungsverfahren und allein von deutschen Amtsgerichten rund 67.000 Gerichtsverfahren nach § 153 a StPO eingestellt worden. Studien haben bislang keine direkten Hinweise auf eine Privilegierung begüterter Beschuldigte insbesondere in den komplizierten Wirtschafts- und Steuerstrafverfahren ergeben. § 153a StPO gelangt nur bei rechtswidrigen Taten zur Anwendung, die nach dem Gesetz im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe unter einem Jahr oder mit Geldstrafe bedroht sind (Vergehen). Zudem darf die Schwere der Schuld des Beschuldigten einer Einstellung nicht entgegenstehen. Es darf sich höchstens um eine Schuld im mittleren Bereich handeln. Das Gesetz verlangt dabei nur eine hypothetische Schuldbeurteilung, weil zum Zeitpunkt der Einstellung das Strafverfahren noch nicht vollständig durchgeführt worden ist. Das Maß der Schuld hängt u.a. von der Art der Tatausführung, den verschuldeten Auswirkungen der Tat, dem Maß der Pflichtwidrigkeit, aber auch von personalen Faktoren des Beschuldigten vor und nach der Tat ab. Eine Einstellung erfolgt nur gegen Erteilung von Auflagen und Weisungen, welche besondere nicht strafrechtliche Sanktionen darstellen und in § 153a Abs. 1 Satz 2 StPO beispielhaft aufgeführt sind. Die Geldauflage zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse kommt in der Praxis besonders häufig vor. Die Auflagen bzw. Weisungen müssen schließlich geeignet sein, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen. Dieses orientiert sich an dem Sinn und Zweck staatlichen Strafens, zu denen u.a. Schuldausgleich, Prävention, Resozialisierung sowie Sühne und Vergeltung für begangenes Unrecht zählen. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien hat die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht im Rahmen eines relativ weiten Beurteilungsspielraumes zu entscheiden, ob eine Fortsetzung des Verfahrens notwendig erscheint. Sind die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt, kann das Verfahren vor Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft und nach Anklageerhebung durch das zuständige Gericht vorläufig eingestellt werden. Gericht, Staatsanwaltschaft und der Beschuldigte müssen jeweils zustimmen. In Fällen geringfügiger Vergehen kann bei einer Einstellung vor Anklageerhebung unter bestimmten Voraussetzungen die Zustimmung des Gerichts entbehrlich sein. Für die Erfüllung der Auflagen bzw. Weisungen werden Fristen gesetzt. Werden die Auflagen erfüllt, wird das Verfahren dann endgültig eingestellt. Die Tat kann dann nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Besonders praxisbedeutsam ist, dass die Beschuldigten bei einer Einstellung nach § 153a StPO als nicht vorbestraft gelten und eine Eintragung in das sog. polizeiliche Führungszeugnis unterbleibt. Sie haben Fragen zu diesem Thema?
Hände zu Fäusten geballt mit angelegten Handschellen
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In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Ratsuchende völlig aufgelöst in der Kanzlei anrufen und „ganz dringend“ einen Besprechungstermin benötigen. Was ist passiert? Die Ratsuchenden haben von der Staatsanwaltschaft eine Strafantrittsladung erhalten, mit der sie aufgefordert werden, sich zur Vollstreckung einer Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe innerhalb einer gewissen Frist oder zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) einzufinden. Dies ist natürlich für die meisten Personen und deren Umfeld eine dramatische Situation, denn im Falle einer Inhaftierung wird man aus seinem bisherigen Leben herausgerissen. Die familiären, sozialen und beruflichen Folgen sind oft gravierend.
Foto von einem Führungszeugnis Dokument
von Rechtsanwalt Christian Kucera 28 Juni, 2023
Strafgerichtliche Verurteilungen haben nicht nur Geld- oder Freiheitsstrafen zur Folge. Vor Antritt einer neuen Arbeit oder wenn man beruflich, ehrenamtlich oder auf sonstige Weise eine Tätigkeit ausüben will, bei der man Kontakt zu Minderjährigen hat, kann ein Führungszeugnis verlangt werden. Enthält dieses Hinweise auf strafgerichtliche Verurteilungen, ist man also vorbestraft, kann das für die erstrebten Tätigkeiten oft das Aus bedeuten.
Rechtsanwalt und Mandat geben sich die Hände
von Rechtsanwalt Christian Kucera 28 Juni, 2023
Der sog. „Täter-Opfer-Ausgleich“ (TOA) stellt eine Möglichkeit zur außergerichtlichen Konfliktschlichtung dar. Er soll das Interesse von Tatopfern an Schadenkompensation verwirklichen und dem (mutmaßlichen) Täter sollen die Folgen seines Handelns klargemacht und seine Bereitschaft gefördert werden, hierfür Verantwortung zu übernehmen. Der TOA dient also im Wesentlichen der Aufarbeitung der Straftat, der Befriedung des Konfliktes und der Aushandlung der Wiedergutmachung und ist in vielfältigen Formen durchführbar. Gesetzliche Regelungen zum TOA finden sich insbes. in den §§ 46 und 46a des Strafgesetzbuches (StGB), sowie den §§ 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 und 155a Strafprozessordnung (StPO) sowie in §§ 45 Abs. 2 Satz 2, 47 Abs. 1 und 10 Abs. 1 Nr. 7 Jugendgerichtsgesetz (JGG). Der TOA ist nicht auf bestimmte, etwa leichtere Straftaten oder Bagatellfälle begrenzt. Er kommt auch im mittleren Kriminalitätsbereich und auch bei schwerer Straftat in Betracht. In der Praxis spielt der TOA u.a. bei Körperverletzungs- , Eigentums- und Vermögensdelikten (z.B. Diebstahl, Betrug), aber auch bei Raub- , Erpressung- oder bei Sexualdelikten eine bedeutende Rolle. Von besonderer Bedeutung für Beschuldigte in Strafverfahren ist, dass bei Durchführung oder auch bei ernsthaftem Erstreben eines TOA u.U. eine deutliche Strafmilderung und in bestimmten – eher weniger schwerwiegenden - Fällen sogar eine Einstellung des Verfahrens oder ein Absehen von Strafe erreicht werden kann. In der Praxis entscheidet – bei schwereren Tatvorwürfen – die Durchführung oder zumindest das ernsthafte Erstreben eines TOA nicht selten über die Frage, ob überhaupt noch eine Freiheitsstrafe zur Bewährung erreicht werden kann oder ob ein Verurteilter eine Haftstrafe im Gefängnis verbüßen muss. Ist an den Tatvorwürfen „etwas dran“, empfiehlt es sich in vielen Fällen, möglichst frühzeitig einen TOA durchzuführen oder dies zumindest ernsthaft zu versuchen. Um als Beschuldigter in den Genuss der oben genannten Rechtsvorteile, wie insbesondere einer deutlichen Strafmilderung zu kommen, verlangt die Rechtsprechung aber umfassende Ausgleichsbemühungen und einen sog. „ kommunikativen Prozess “ zwischen Täter und Opfer. Das Verhalten des Täters muss hiernach „ Ausdruck der Übernahme von Verantwortung “ sein und „ friedensstiftende Wirkung “ haben. Hierfür ist i.d.R. u.a. ein Geständnis , das Bekennen zur Schuld und das Respektieren der Opferposition der geschädigten Person, eine Entschuldigung und die Zahlung einer Entschädigung , oft in Form eines Schmerzensgeldes erforderlich. Wie genau ein TOA durchgeführt wird, hängt vom Einzelfall und von auch der Frage ab, in welchem Stadium des Strafverfahrens man sich befindet. Die Initiative für einen TOA können u.a. die Staatsanwaltschaft oder manchmal auch das Gericht, aber auch Täter und Opfer selbst ergreifen. Durchführen tut den TOA dann häufig eine TOA-Stelle, wie z.B. die sog. Gerichtshilfe oder ein anderer sozialer Dienst der Justiz, vielfach auch freie Träger (spezielle meist als Verein organisierte Einrichtungen, Opferhilfevereine usw.) oder im Jugendbereich die Jugendgerichtshilfe oder andere Stellen des Jugendamtes. In der Praxis wird der TOA auch häufig durch den Rechtsanwalt und Verteidiger des Beschuldigten durchgeführt. In geeigneten Fällen nimmt der Verteidiger dann mit dem Geschädigten bzw. dessen anwaltlicher Vertretung außergerichtlich Kontakt zwecks Durchführung eines TOA auf. Die Frage, ob ein TOA im Einzelfall in Betracht kommt und durchgeführt werden oder zumindest erstrebt werden sollte, vor allem auch die Frage, ob man selbst die Initiative für einen TOA ergreifen sollte, ist vielfach schwer zu beantworten. Das gilt auch für die Frage, wie genau und wann ein TOA durchgeführt oder ernsthaft versucht werden sollte. Insbesondere bei schwereren Tatvorwürfen, bei denen ein TOA ggf. über Haft oder Bewährungsstrafe entscheiden kann, sollte der Rat eines erfahrenen Strafverteidigers eingeholt werden! Rechtsanwalt Kucera berät Sie in Ihrem Fall hierzu gerne.

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